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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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Pub fragte ich mich, wie viel von der allgemeinen Meinung über mich von meinem Aussehen abhinge, das zugegebenermaßen ziemlich gut war.
    »Willst du mein Gesicht anfassen?« fragte ich Danny, als Robert auf die Toilette gegangen war.
    »Was?«
    »Du kannst mein Gesicht anfassen, wenn du willst«, sagte ich.
    Wenn er mein Gesicht anfasste, so vermutete ich, würde er verstehen, dass mein Esprit und meine Intelligenz mit symmetrischen Gesichtszügen von der Sorte einhergingen, wie sie Babys und Geschworene mögen.
    »Muss ich?« fragte er. Sobald Robert an die Bar zurückkam, sagte er:
    »Du rätst nie, was Krissie … Sie will, dass ich ihr Gesicht anfasse!«
    »Kann ich?« fragte Robert und tat es, ohne meine Antwort abzuwarten. Es folgten mehrere lärmige Krissie-ist-eine-Idiotin-Minuten.
    Ich Schwachkopf.
    In dem Versuch, das Thema zu wechseln, erzählte ich ihnenerst alles über meine triumphale Detektivarbeit im Fall des Sexualtäters. Dann erzählte ich ihnen von Jeremy. »Er wirkt traurig … und nett«, sagte ich.
    »Das ist der Mörder, ja?« fragte Danny. »Wirkt nicht besonders nett auf mich.«
    »Er ist noch nicht schuldig gesprochen«, sagte ich. »Jedenfalls denke ich, dass es wichtig ist, einen Klienten kennenzulernen, ehe man sich anhört, was andere über ihn sagen oder wessen sie ihn beschuldigen.«
    »Nobel«, sagte Robert.
    »Unmöglich«, fügte Danny hinzu.
    Jeremys Kindheitsgeschichte schien sie nicht übermäßig zu interessieren. »Aber habt ihr jemals etwas so Trauriges gehört?« fragte ich.
    »Klar!« sagte Robert und legte los, meine Geschichte mit einer zu übertrumpfen, in der ein dementer alter Kerl mit einem dreibeinigen Terrier vorkam. Dann spielten er und Danny Traurige-Geschichten-Poker und übertrumpften sich mit Leidensberichten.
    Danny hatte die klauende Tochter eines berüchtigten Serienmörders als Klientin gehabt. Sie hatte sich jahrelang Vorwürfe gemacht, dass sie die Polizei nicht auf die Aktivitäten ihres Vaters aufmerksam gemacht hatte, ehe sie heroinabhängig geworden war.
    Robert hatte unter seinen Klienten einen Typen, der in einem Nachbarschaftsstreit mit einem Hammer herumgefuchtelt und versehentlich ein junges Mädchen getötet hatte, das zufällig gerade vorbeiging.
    Eine von Dannys Lebenslänglichen war eine Prostituierte, die es nicht geschafft hatte, sich selbst umzubringen. Ihre Kinder schon.
    Und so weiter. Mir wurde klar, dass Jeremys Geschichte nur eine von sehr vielen traurigen Geschichten aus dem Leben von Strafgefangenen war.
    »Nach ungefähr einer Woche wirst du aufhören, über deine Fälle zu sprechen«, sagte Danny. »Du wirst nach Hause gehen und sagen: Ja klar, war alles bestens auf der Arbeit. Du wirst dich dran gewöhnen.«
    »Wenn nicht, bekommst du chronische Kopfschmerzen, wie Hilary«, fügte Robert hinzu.
    »Oder du wirst dauerhaft krankgeschrieben, wie ein Drittel von uns«, sagte Danny.
    »Geschieden, wie zwei Drittel von uns.« Robert nickte. Anscheinend gehörte er zu den Betroffenen.
    »Alkoholabhängig, wie drei Viertel …« Danny hob sein Glas in meine Richtung.
    »Willkommen im Job!« sagte ich und stieß mit zwei Trümmerteilen der Sozialarbeitsruine an.
    Als ich nach Hause kam, hätte ich schwören können, dass Einbrecher unsere Wohnung verwüstet hatten. Der Boden der Diele war mir Klamotten übersät, das Bad voll mit schaumgekröntem Plunder und das Klo nicht gespült. Geschirr stapelte sich auf dem Küchentisch und in der Spüle, und alle Kissen von meinem neuen Habitat-Sofa türmten sich im Gästezimmer. Ich stand kurz davor, einen Wutschrei loszulassen – Wie konnte die Wohnung nach einem einzigen Tag so unordentlich sein? –, als Chas und Robbie hinter dem Schlafzimmervorhang hervorstürzten und über mich herfielen. Obwohl Robbie längst im Bett hätte sein müssen, sah er so glücklich aus und gluckste so heftig, dass ich Chas die Mängel seiner Haushaltsführung dieses eine Mal nachsah. Als meine Arbeit schwieriger wurde und meine Überstunden länger, wurde ich in diesen Dingen weit weniger duldsam.
    Mit dem Malen sei alles gut gegangen, sagte Chas. Sie hätten eine komplexe, vielfarbige Eisenbahnschiene zustandegebracht, die sich über die Hälfte des Atelierbodens erstreckte. Den Rest des Tages hätten sie damit verbracht, gemeinsam mit den Bildhauern Kinderlieder zu singen (Robbie war im Atelier ein großer Erfolg gewesen).
    »Bist du mit deiner Arbeit vorangekommen?« fragte ich Chas.
    »Morgen«, sagte er.

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