Letzte Beichte
London. Eine Krankenschwester aus der Notaufnahme rief an und sagte, seine Mutter sei wegen des Verdachts auf einen Herzanfall ins Krankenhaus eingeliefert worden. Als ich ihn das nächste Mal sah, war er wegen des Mordes an Bridget angeklagt … meiner leiblichen Mutter.«
»Leiblich?«
»Sie hat mich gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben.«
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13
An diesem Abend hatten Chas und ich unseren ersten Streit.
Zwei Jahre lang hatten wir einander angelächelt, geküsst und mindestens einmal am Tag »Ich liebe dich« gesagt. An Robbies Bett hatten wir gemeinsam über verwickelte Gutenachtgeschichten gelacht. Später, nach dem Abendessen, hatten wir uns auf dem Sofa aneinandergekuschelt und verschiedene Formen von Körperkontakt praktiziert. In der Woche, ehe ich wieder zu arbeiten anfing, hatte ich außerdem jede Menge batteriebetriebener Orgasmen gehabt, und wir hatten zu überlegen begonnen, wie wir Chas irgendwann in diesen Ablauf integrieren könnten.
Aber als ich an diesem Abend nach Hause kam, war Schluss mit unserem glücklichen Liebesprogramm.
»Um Himmels willen!« sagte ich anstelle eines Hallos. »Warum klebt Kuchenmischung an der Dielenwand?«
»Das ist keine Kuchenmischung«, erklärte Chas. »Wir stellen einen Zaubertrank her!«
»Der Wäschekorb quillt über, und im Kühlschrank ist nichts zu essen. Und warum hast du mich nie gefragt, ob ich dich heiraten will?«
»Willst du denn heiraten?« fragte Chas. »Wenn du willst, können wir heiraten.« Das nahm mir einigermaßen den Wind aus den Segeln.
Ich verwirrte nicht nur Chas, sondern auch mich selbst, als ich sagte, dass ich natürlich nicht heiraten wolle. Wer brauche schon ein Stück Papier? Die Ehe sei altmodisch und eine sichere Methode, alles Gute in einer Beziehung zu verderben. Und überhaupt, was seien das für Frauen, die darauf warteten, dassein Kerl um ihre Hand anhalte, als ob das der einzige Weg zur Glückseligkeit sei? »Das ist doch jämmerlich!« sagte ich, und mein Tonfall weckte in Chas vermutlich den Wunsch, schwul zu sein.
Ich räumte auf, wobei ich abwechselnd murrte und mich entschuldigte. Schließlich tat Chas das einzig Vernünftige und machte einen Spaziergang, während ich Robbie ins Bett brachte und mich an dem (geschickt versteckten) Essen sattaß, das er zubereitet hatte. Und obwohl Pizza nicht den gleichen Status für sich beanspruchen konnte wie die Lammkeule, von der ich den ganzen Tag lang geträumt hatte (und die ich ihn aus dem Kühlfach zu nehmen und mit Rosmarin zu kochen gebeten hatte), erfüllte sie doch ihren Sättigungszweck. Und so war ich bei Chas’ Rückkehr bereit, ihm eine Entschuldigung anzubieten, die völlig ohne Murren auskam.
»Danke für das Abendessen«, sagte ich. »Ich bin verrückt, oder?«
»Ein bisschen.«
»Ich bin heute einer Frau begegnet, die mir von ihrer Hochzeit erzählt hat. Da bin ich ganz sentimental geworden. Das ergibt doch keinen Sinn. Das ist doch gar nicht meine Art.«
»Ich mag es, wenn du ganz sentimental wirst«, sagte er und küsste mich auf den Nacken.
»Aber so bin ich doch gar nicht, Chas. Oder? Ich finde, dass die Arbeit mich durcheinanderbringt. Die Geschichten, die ich da zu hören bekomme, sind wirklich unglaublich«, sagte ich. Dann erzählte ich ihm von meinen bisherigen Fällen. »Und die Vollzeitstelle nervt auch. Wir haben gar keine Zeit mehr füreinander. Ich könnte dir keinen Vorwurf machen, wenn du mich sitzen lassen würdest.«
Er lotste mich aufs Sofa.
»Ich habe nachgedacht«, sagt er. »Diese ganze Idee von Liebesgeschichten à la ›Junge trifft Mädchen, Junge verliert Mädchen, Junge gewinnt Mädchen zurück‹ – alles Schwachsinn. Es gibt keine Entwicklungslinien mit Anfang und Ende. Das Ganze ist ein Kreislauf. Du findest jemanden, du verlierst ihn wieder,du findest ihn, verlierst ihn, findest ihn wieder – und so geht das immer weiter. Wir lernen uns jetzt gerade wieder kennen. Wir erfahren etwas Neues über uns. Ich versuche, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Du hast gerade mit einem wirklich schwierigen Job angefangen, und du vermisst Robbie. Freut mich, dich kennenzulernen, Krissie! Ich werde etwas Neues über dich erfahren, und ich werde mich ganz neu in dich verlieben.«
Ich hatte keinen Schimmer, was er mit all den Kreisläufen und Entwicklungslinien sagen wollte. Manchmal ist es wirklich anstrengend, mit einem Künstler zusammenzuleben.
»Ich glaube eigentlich nicht, dass meine schlechte Laune etwas
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