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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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feilte, während sie mir beruhigend zuredete – betrunkenes Rumknutschen auf einer Party, Stress, Alkohol. Alles nicht so schlimm, wie es aussehe, sagte sie, und ich solle mir keine Sorgen machen. »Alles, was Sie und Ihr Freund brauchen, ist ein Tag Zeit zum Runterkommen. Geben Sie ihm einen Tag Zeit. Keiner von euch will wegen eines kleinen Flirts verlieren, was ihr habt. Es ist belanglos. Ihr werdet es überstehen. Schließlich sitzt er nicht wegen Mordes in Sandhill.«
    Da war es wieder, wie ein Vogel, der gegen eine Fensterscheibe fliegt: knall! Berufliche Distanz. Sozialarbeiter und Klient. Und Amanda war nicht die Sozialarbeiterin (auch wenn sie jetztfür Geld Spitzen an meine Nägel klebte), sie war die Klientin, und letzten Endes würde sie nichts von dem interessieren, was ich über meine eigenen Probleme zu sagen hatte.
    Noch etwas fiel mir ein, als Amanda das Gespräch auf ihr eigenes Höllenleben lenkte: dass es gut ist, die Dinge in den richtigen Proportionen zu betrachten (es ist zum Beispiel keine schlechte Idee, »Hungersnot« zu googeln, wenn man sich schlecht fühlt). Sofort schlüpfte ich in eine etwas weniger unprofessionelle Rolle und konzentrierte mich auf meine Klientin.
    »Haben Sie etwas Neues über den Prozess gehört?« fragte ich.
    »Eigentlich nicht. Ich kann nur beten, dass seine Mutter zur Vernunft kommt. Aber ich denke, dass Jeremy im Gefängnis sein will«, sagte Amanda. »Er will sich selbst bestrafen. Und er will mich schützen.«
    »Wovor?«
    Amanda zögerte. Sie war offenbar hin- und hergerissen. Aber dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck, und ich wusste, dass sie kurz davorstand, etwas Wichtiges zu sagen.
    »Ich muss es jemandem sagen. Meine Güte, ich muss darüber sprechen. Es macht mich völlig verrückt. Keiner weiß etwas davon. Keiner außer ihm.« Sie hatte Tränen in den Augen.
    »Was?«
    »Er will nicht, dass es jemand herausfindet. Er denkt, dass mir das zu sehr wehtun würde. Er glaubt, man würde dann denken, dass ich sie umgebracht hätte, weil ich dadurch eine ganze Reihe von Motiven hätte: verlassenes Kind, verschmähte Liebhaberin, perverse Irre … Vielleicht bin ich das ja wirklich alles.«
    »Wovon sprechen Sie? Was soll man nicht herausfinden?« fragte ich.
    »Ich habe etwas wirklich Seltsames getan. Ich kann es selbst nicht erklären. Wenn ich daran denke, möchte ich mich am liebsten übergeben. Was bin ich bloß für ein Mensch?«
    »Sagen Sie mir, was Sie getan haben.«
    »Ich habe es Jeremy erzählt, als ich ihn kurz nach seiner Verhaftung besucht habe«, sagte Amanda. »Ich bin allein in Crinangewesen, während er unten in London war. Ich habe allein in dieser Bude gesessen, und so vieles war passiert. Er wusste, dass ich meine leibliche Mutter am zweiten Tag gefunden hatte, aber es war noch viel mehr passiert, und er hatte keine Ahnung davon. Bis ich es ihm auf der Polizeiwache sagte.«
    »Was war noch passiert?« fragte ich gebannt.
    »Ich kann es nicht laut sagen.« Amanda sah aus, als ob ihr übel wäre.
    »Dann flüstern Sie es«, schlug ich leise vor.
    »Es ist zu schlimm.«
    »Flüstern Sie es mir einfach ins Ohr.«
    Sie sah sich nervös um, beugte sich zu mir vor und flüsterte: »Ich habe Jeremy gesagt, dass da mehr gewesen ist. Mehr als sie bloß zu treffen. Aber er wollte nicht, dass ich es der Polizei erkläre. Weil er nicht wollte, dass es jemand erfuhr.«
    »Was?«
    Sie lehnte sich zurück, sah mir in die Augen, holte tief Luft, um sich Mut zu machen, und sagte: »Er wollte nicht, dass jemand erfuhr, dass ich … mit ihr geschlafen hatte.«
    »Mit wem geschlafen hatte?«
    »Mit Bridget.«
    »Bridget McGivern?«
    »… Ja.«

[Menü]
37
    Amanda hatte mit ihrer Mutter geschlafen. Mein lieber Scholli!
    Ich ging zurück ins Büro und setzte mich eine Weile vor den Computer. Schockiert stellte ich fest, dass es im Internet jede Menge Forschungsberichte über Wiedersehenstreffen adoptierter Kinder mit ihren Eltern gab. Einige dieser Berichte besagten, dass bis zu fünfzig Prozent solcher Treffen mit obsessiven Emotionen, oft auch mit sexueller Anziehung einhergingen. Das Ganze hatte sogar einen Namen – Genetisch-sexuelle Attraktion – und war im Hinblick auf In-vitro-Fertilisation und dergleichen offenbar so etwas wie eine Zeitbombe. In einem Land hatte es einen Fall gegeben, bei dem sich ein Bruder und eine Schwester, die gleich nach der Geburt von verschiedenen Familien adoptiert worden waren, gefunden und ineinander verliebt hatten.

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