Letzte Beichte
der Party gehabt hatte). Ich legte das Heroin oder Kokain, oder was auch immer es war, in den Plastikbehälter, den ich als Geheimversteck für meine Zigaretten benutzte. Ich drückte den Deckel auf den Behälter und tat das, was ich mit unangenehmen Dingen oft tue – ich versteckte ihn. Nachdem ich ihn oben auf die Küchenzeile gelegt hatte, beschloss ich, ihn völlig zu vergessen. Diese Zigarettenschachteln existierten nicht mehr.
Dann fuhr ich in das Gemeinschaftsatelier in Hillfoot. Es befand sich in einem alten Fabrikgebäude und hatte zerkratzte Wände, ein Dachfenster und ein winziges Badezimmer; in einer Ecke stand ein Sofa. Chas’ Zimmer lag an der Rückseite. Es war vollgestopft mit Bildern, die mit den Vorderseiten an der Wand lehnten. Alles, was man sah, waren die Rückseiten von Leinwänden, Schraubenbolzen, Holzrahmen und Tücher.
Chas war da, steckte eine Blume in Madeleines Haar fest und sah sie prüfend an. Eine kleine Rose, die an einer Haarspange oder einem Stück Draht befestigt war. Er arbeitete also keineswegs wie ein Wilder, wie er es eigentlich hätte tun sollen. Er arbeitete nicht, und er beweinte auch nicht unseren Streit oder betrauerte den Verlust seiner Freundin und seiner Kleinfamilie. Stattdessen steckte er eine beschissene Blume in das Haar von Drahtball-Madeleine und sah sie prüfend an.
Ich glaubte es einfach nicht. Chas hatte mich verlassen. Er hatte Robbie verlassen. Der ganze Stuss, den er über uns gesagt hatte – dass wir uns immer wieder neu verliebten und neu kennenlernten und nicht kapitulierten –, all das war purer Schwachsinn gewesen.
Ehe ich wusste, was ich tat, ging ich hinein und starrte sie schweigend an. Sie starrten zurück, als ob ich diejenige wäre, die zuerst etwas sagen müsste.
»Hallo«, sagte Chas nach einer Weile.
»Ich hatte eine Menge Ärger«, jammerte ich.
»Du ziehst Ärger an, Krissie.« Es klang nicht ermutigend.
»Ist es vorbei, Chas? Schläfst du mit ihr?« fragte ich.
»Wie kannst du hier hereinkommen und mich das fragen? Das ist so typisch für dich. Einfach ein winziges Stückchen Information nehmen und so tun, als wäre es die Wahrheit. Wann wirst du jemals aufhören, voreilige Schlüsse zu ziehen? Nicht alles ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.«
»Was? Warum benimmst du dich wie ein Arschloch? Wer bist du? Ich brauche dich, und du jagst mir einen Schrecken ein.«
»Ich benehme mich nicht wie ein Arschloch. Ich brauche bloß etwas Abstand. Du bist auf der Party völlig durchgedreht, K. Du hast Freunde von mir ›Fotzen‹ genannt. Du musst wieder zur Besinnung kommen. Und ich muss meine Vernissage hinter mich bringen. Warum versuchst du nicht, pünktlich zur Vernissage zur Besinnung zu kommen? Dann können wir alles klären.«
Er warf der Bildhauerin einen kurzen Blick zu, und sie lächelte ihn an!
Ich wollte irgendwen oder irgendwas schlagen – ihn, sie. Sie hatten sich gegen mich verschworen. Mein Chas, mein Leben, der mich immer geliebt hatte, er hatte sich mit einer anderen verschworen, direkt vor meinen Augen.
Ich versuchte, mich an einige Anti-Aggressions-Techniken zu erinnern: kurze Auszeit nehmen, atmen, Augen schließen. Ich versuchte es, nur um tatenlos dabei zusehen zu müssen, wie ich die A4-Fotos aus meiner Tasche holte und schnell durchblätterte, um Chas nicht die wirklich beängstigenden mit den Drogen oder gar den Brief zu zeigen, sondern nur das Foto, auf dem ich Danny küsste.
»Dein Freund hat dieses Foto aufgenommen, um uns wehzutun. Wie du siehst, hatte ich also recht«, sagte ich und schaute die Bildhauertussi an. »Deine Freunde sind Fotzen.«
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36
Anscheinend war meine Beziehung am Ende. Ich heulte den ganzen Weg zurück ins Büro. Dann versuchte ich, mich so gut es ging mit Arbeit abzulenken. Es lag eine Menge an: eine Befragung für ein Gerichtsgutachten, Anrufe bei Ärzten und Verwaltungsangestellten, Schreiben mit Terminbenachrichtigungen für Klienten, Fallaufzeichnungen. Ich arbeitete mich so gut wie möglich durch diesen Wust und hoffte, dass meine Situation durch all die Ablenkung nicht mehr so trostlos erscheinen werde.
Um fünf Uhr schaltete ich meinen Computer aus und wurde sofort von einem Gefühl der Übelkeit überwältigt.
Chas hatte mich verlassen.
In meiner Küche lagerten immer noch Drogen.
Ich musste mich beruhigen, alles durchdenken, mit jemandem reden.
Ich brauchte eine Maniküre.
Und so sprach ich, ehe ich Robbie abholte, mit Amanda über Chas. Sie
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