Letzte Beichte
die ich am Abend vorher im Tran mitten in den Raum gelegt hatte. Besoffene Idiotin. Wer hat Bridget McGivern getötet? Ermittlungszentrale, ha! Was ich brauchte, war eine Therapie. Einen Alkoholentzug und eine Therapie. Außerdem brauchte ich dringend einen Schluck Wasser, denn mein Mund beherbergte unzählige Kaninchenfusseln, die sich mit Kaninchenscheiße und Kaninchen-Sägespänen vermischt hatten. Ich stellte die Tafel zurück ins Kinderzimmer und putzte mir sieben Minuten lang die Zähne.
Ich hatte noch nie eine richtige Trennung durchlebt. Ich hatte aber mitbekommen, wie zwei Freundinnen eine überstehen mussten. Die eine, Laura, wurde von ihrer an einem ungewöhnlich heißen Nachmittag überrascht. Sie war mit einem Biohühnchen nach Hause gekommen und hatte feststellen müssen, dass ihr Typ verschwunden war. Drei Jahre gemeinsamen Lebens in derselben Wohnung, nie eine Spur von Unzufriedenheit, und ihr war nichts als ein großes Huhn zu einem Wucherpreis geblieben. Dass sie das Huhn trotz allem kochte, überraschte mich so sehr, wie sie vom Verschwinden ihres Typen überrascht worden war. Sie machte einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre. Sogar die speziellen Bratkartoffeln nach Art dieser Fernsehköchin bereitete sie zu (und die sind gar nicht einfach). Sie rannte nicht durch die Straßen, um ihn aufzuspüren, stand nicht im Schneegestöber auf Brücken und erflehteseine Rückkehr, und sie versteckte sich auch nicht unter ihrer dunklen Daunendecke, bis sie vor Dreck starrte. Sie machte weiter und ließ ihn gehen. Einfach so.
Die andere Freundin wurde von ihrer Trennung nicht überrascht, denn sie hatte sie selbst eingefädelt. Jane war gelangweilt vom Zweimal-die-Woche-Ficken und den Streitereien über das Fernsehprogramm auf Sky Plus, und es war ihr leichter erschienen, sich mit dem Kerl vom Laden an der Ecke um den Verstand zu vögeln, als ihren Ehemann höflich zum Gehen aufzufordern.
Ich hatte das alles noch nie erlebt, weil ich niemals richtig verliebt gewesen war, und ich überraschte mich sogar selbst, weil ich nie gedacht hätte, dass ich vernünftiger als Bio-Laura oder Sky-Plus-Jane sein könnte, aber ich war’s. Ich verhielt mich trotz der Eskapaden der vorigen Nacht vernünftig und beschloss, dass ich über alles in Ruhe nachdenken und meine Beziehung retten würde. Und das erforderte vor allem den tatkräftigen Rat meiner Mutter.
»Wo ist Chas?« fragte meine Mutter, als ich am nächsten Morgen bei ihr vor der Tür stand.
»Kann ich erst Robbie Hallo sagen?« fragte ich und gab ihr einen Kuss.
Robbie und mein Vater waren im Garten hinter dem Haus. Robbie grub mit seiner kleinen Grabegabel ein Loch. »Ich baue einen Baum«, sagte er. »Und dann wird Opa ein neues Baumhaus machen.«
»Etwas stimmt nicht, oder?« sagte meine Mutter, als ich wieder hineinkam. »Setz dich und iss etwas, ehe du zur Arbeit gehst. Wo ist Chas? Robbie sagt, dass er Tag und Nacht malt.«
»Wir haben uns getrennt«, sagte ich. Dann verbrachte ich einige Zeit damit, zu weinen und mich melodramatisch zu schneuzen.
»Was? Wie? Erzähl mir alles, Liebes.«
»Ich habe auf unserer Party einen anderen geküsst!«
Meine Eltern waren seit Langem leidgeprüft. Ich war eineschwierige Tochter gewesen. Als Kind, als Teenager und als Erwachsene hatte ich andauernd Ärger gemacht. Immer waren sie mit Trost und Rat für mich dagewesen, immer hatte ich sie anrufen können, immer waren sie auf dem Sprung gewesen, bei mir vorbeizukommen …
Bis jetzt.
»Okay, Kristina, das war’s.«
»Wie bitte?« fragte ich.
»Du bist vor nicht mal einem Monat hier ausgezogen, und jetzt hast du es schon vermasselt?«
Daraufhin fing ich wildentschlossen zu heulen an. Sie ahnte ja nicht, dass ich nicht nur meine Beziehung in den Dreck gefahren hatte, sondern außerdem:
süchtig nach den Maniküren der Frau eines Klienten geworden war, die folglich selbst als Klientin zu gelten hatte und nicht mit einer Freundin oder Dienstleisterin verwechselt werden durfte.
mich in unprofessionelle Nähe zu einem (mutmaßlichen) Mörder und (tatsächlichen) Klienten begeben hatte.
besagten Klienten/Mörder im Gefängnis umarmt hatte.
wieder zu trinken begonnen hatte. Zu viel.
zu rauchen begonnen hatte.
nicht nur Tabak, sondern auch Joints (auf Partys).
Speed geschnupft hatte.
harte Drogen bei mir lagerte.
einen Kollegen bei einer Party sexuell belästigt hatte.
als Resultat all dessen das Leben meiner Familie in Gefahr
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