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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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gebracht hatte.
    »Wie kannst du so etwas sagen«, schrie ich sie an. »Wie kannst du nur so herzlos sein.«
    Aber sie machte keinen Rückzieher. Sie setzte sich nicht hin, und sie änderte auch ihre Körpersprache und ihren Tonfall nicht in Richtung ihres normalen mütterlichen Verzeihens. Stattdessen baute sie sich mit gerecktem Zeigefinger vor mirauf und sagte: »Chas hat alles für dich getan, und du bist ein albernes, freches Mädchen. Ich finde, dass du ihn nicht verdienst.«
    »Aber du hast gesagt, dass ich ihn verdiene!«
    »Ich habe meine Meinung geändert, seit du ausgezogen bist! Und ich sag dir eines: Wenn du deinen selbstbezogenen Arsch jetzt nicht sofort hochkriegst und ihn um Verzeihung bittest, dann verpass ich dir eine.«
    »Das tust du nicht«, sagte ich und trotzte ihrem strengen Gesicht, das sich gefährlich nah vor meinem befand.
    Aber sie tat es. Ohne auch nur einen Augenblick des Zögerns ballte sie ihr Mutterfäustchen und verpasste mir einen Schlag auf die Nase, und obwohl sie keuchte, als ob sie nicht wirklich hatte treffen wollen, tat es doch verdammt weh. Vor allem aber erschreckte sie mich damit zu Tode: Meine Mutter hatte mir bis dato höchstens mal einen Klaps auf den Handrücken gegeben.
    »Wir passen auf Robbie auf. Du gehst zu diesem armen Burschen und flehst ihn an, dass er dich zurücknimmt. Und richte ihm aus, dass ich ihn verstehen kann, wenn er nicht will.«
    Sie öffnete die Tür und wartete, bis ich draußen war. Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu und ließ mich und mein Taschentuch auf der Treppe stehen.
    Was sollte ich jetzt tun? Wieder ins Atelier fahren? Ich saß ein paar Minuten lang auf der Steinmauer im Vorgarten, ehe ich ins Auto stieg.
    Was würde ich im Atelier zu sehen bekommen? Dass er sie anfasste? Auf seine typische Art mit ihren Haaren spielte? Ihr all die Sachen sagte, die sie hören wollte?
    Ich hatte schlechte Träume gehabt, in denen Chas nicht echt gewesen war und Unmengen von Frauen dieselben Sachen gesagt hatte, die er mir sagte. Wie konnte er denn echt sein? Wie konnte dieses Schwebegefühl, das mich in seiner Gegenwart überkam, echt sein? Dieses Gefühl von Neugier und Interesse gegenüber allem, was er zu sagen hatte? Dieses Gefühl von Stolz, das mich dazu brachte, vor meinen Freunden und Kollegen mit ihm anzugeben? Dieses Gefühl, im Bett auf ihm zuliegen und seine Brustbehaarung (nicht zu wenig, nicht zu viel, genau richtig) zu streicheln? Er war zu gut, um echt zu sein … Ich musste ihn zurückhaben … Ich würde hineingehen. Aber ehe ich hineinging, um ihn mit einer gefühlvollen Rede (die einige der obengenannten Punkte in eloquenter Prosa anführte) zurückzuerobern, versuchte ich durch ein kleines Fenster zu spähen. Nur um zu sehen, ob er auch da war (Lügnerin! Ich spähte durchs Fenster, um zu sehen, ob sie da war).
    Da ich ihn nicht sah, ging ich zur anderen Seite des Gebäudes. Ich sprang hoch, aber das Fenster war zu hoch. Ich fand eine Kiste und stellte mich drauf. Dann sah ich durch das Fenster in die kleine Küche. Ich sah nichts, aber ich hörte Chas auf der anderen Seite des Ateliers sprechen …
    »… Du bist meine beste Freundin, du bist mein Licht …«
    Ich rang so stark nach Luft, dass ich von der Kiste fiel.
    Als ich wieder oben stand, hörte ich in der Toilette Geflüster und Gekicher. Ich duckte mich so schnell ich konnte und hörte …
    … das Geräusch eines Kusses.
    Weitere Kussgeräusche.
    Hmmm, von ihr.
    Hmmm, schon wieder sie.
    Ich fiel wieder von der Kiste und schlug mir die Stirn auf. Rasende Wut befeuerte den Rückweg zu meiner Mutter. Diese Madeleine war seine beste Freundin, sie war sein Licht … sie hatte einen Beruf, den er verstand: einen sicheren und entspannten Beruf, der sie nicht dazu brachte, sich bei Stress zu betrinken. Sie hatte bestimmt ihr ganzes Leben lang Orgasmen ohne Batterien gehabt, und sie hatte keine Kinder, die die Sache komplizierten.
    Ich fuhr zurück zum Haus meiner Eltern und log sie an.
    »Er war nicht da«, sagte ich zu meiner Mutter. »Ich muss zur Arbeit.«
    Ich gab Robbie einen Abschiedskuss, und meine Mutter versuchte, sich für den Schlag zu entschuldigen. Das sei nicht ihre Absicht gewesen. Ob meine Nase geschwollen sei? Ob sie eineBrille brauche? Es tue ihr sehr leid, aber sie sei froh, dass ich mich um die Sache kümmern werde.
    »Gut«, sagte ich.
    Auf der Arbeit kam ich kaum voran. Ich war den ganzen Tag lang stocksauer.
    Und nachdem ich Robbie abgeholt und ins Bett

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