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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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habe und nichts von dem, was Bridget hätte tun können.
    »Manchmal glaube ich, dass ich zu sehr versucht habe, dich zu sehen, wenn ich sie angeschaut habe«, sagte Bridget. »So bin ich euch letztlich beiden nicht gerecht geworden.«
    So ging es weiter. Vom Töpfchengehen über die Schularbeiten bis hin zu den Abschlussprüfungen hatte Bridget sich nutzlos gefühlt. Sie hatte ihrer Tochter nichts beibringen können, sie hatte sie nicht trösten können. Es war der Vater, der Rachel knuddeln konnte und den verlegten zweiten Schuh fand. Ihr Vater war es, der neben ihr sitzen konnte, ohne sich ihrer Nähe peinlich bewusst zu sein.
    Bridget konnte nur sagen, dass sie sie liebe.
    »Du mich auch, Mama«, sagte Rachel dann.
    Tag vier
    DRINNEN , WOHNZIMMER , LOCK HOUSE BEI CRINAN , NACHT
    Bridget und Amanda sitzen aneinandergekuschelt auf dem Ledersofa. Ein Fotoalbum liegt geöffnet auf dem Tisch, daneben steht eine halbleere Whiskyflasche. Man sieht Familienbilder von Bridgets Examensfeier und ihrer Hochzeit. Amanda hält Bridgets Hand sanft in ihrer Hand und feilt ihr die Fingernägel. Sie legt die Feile in das hübsche braune Necessaire zurück, hält inne und sieht Bridget an. Sie streichen sich über das Haar, schauen sich in die Augen, und ehe sie wissen, wie ihnen geschieht, finden sie das, was ihnen all die Jahre vorenthalten wurde. In all seiner Weichheit und Fülle. Amanda öffnet mit zitternden Fingern die Knöpfe, beobachtet die ermutigenden Reaktionen und senkt ihren Mund.
    Tag fünf
    IM SCHLAFZIMMER , LOCK HOUSE BEI CRINAN , MORGEN
    Amanda liegt wach auf dem Bett und beobachtet die Frau, die neben ihr liegt. Ihre Brüste fallen ein wenig zur Seite, und ihr Brustkorb hebt und senkt sich im Rhythmus ihrer sanften Atemzüge. Sie ist hübsch, wenn sie schläft – kein geöffneter Mund, kein Schnarchen –, und sie ist nackt.
    Amanda kriecht aus dem Bett.
    DRAUSSEN , OBAN , MORGEN
    Amanda stellt das Auto auf dem Parkplatz der Autovermietung ab. Sie sieht die Straße hinab zum Bahnhof von Oban.
     
    ROTBLENDE

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39
    Als Amanda Bridget das nächste Mal sah, lag sie in einer Holzkiste in der Kathedrale von Dunblane.
    Seit Jeremys Verhaftung hatte sie von ihrer leiblichen Familie nichts mehr gehört. Ohne ihr plötzliches Auftauchen wäre Bridget vielleicht noch am Leben gewesen. Man hatte sie nicht zur Beerdigung eingeladen, und sie hatte fernzubleiben versucht, aber sie hatte es nicht geschafft.
    Sie schlich sich in den hinteren Teil der Kathedrale und setzte sich auf einen Platz am Gang. Vorn standen all die Menschen, denen sie an ihrem ersten Abend in Ballon begegnet war – der betrunkene Onkel, die Schwester, der Vater. Hoffentlich drehten sie sich nicht um und sahen sie. Was würden sie dann tun? Was würde sie tun?
    Amanda sah zum Sarg und dachte: Ich habe das Leben dieser Frau zerstört … zweimal. Ich habe ihr nichts als Unglück gebracht.
    Und jetzt lag sie in einer Kiste. Wieder war sie fort.
    Verloren, gefunden, verloren.
    »Eine großzügige, liebevolle Frau, die ihrer Familie alles gab«, sagte Hamish auf der Kanzel, »ihrer Tochter Rachel und mir. Eine Frau, die ihren Jugendtraum, für ›Ärzte ohne Grenzen‹ zu arbeiten, aufgab, um ein glückliches und sesshaftes Leben mit den Menschen zu führen, die sie liebte und die ihr nahestanden …«
    Mich hat sie auch geliebt, dachte Amanda. Oder etwa nicht?
    Als die Totenrede sich dem Ende näherte, stahl sich Amanda aus der Kirche. Sie war eine Hochstaplerin. Sie war schon immer eine Hochstaplerin gewesen. Sie sehnte sich danach, hinter den Leichenträgern herzugehen, wenn sie den Sarg heraustrugen, im vordersten Wagen zu fahren, ganz vorn am Grab zu stehen und Erde auf den Sarg zu werfen. Aber das ging nicht. Ihr angestammter Platz im Leben dieser Frau war, wie immer, nirgendwo. Amanda ging die Treppe vor der Kathedrale hinab, vorbei an dem leeren Bestattungswagen und zu ihrem Auto.
    Sie war lange Zeit Atheistin gewesen, aber auf der Fahrt nach Hause betete sie laut. Sie betete, dass jemand ihr zuhören möge. Sie betete, dass Bridget in Frieden ruhen möge. Sie betete, dass ihr vergeben werden möge. Sie betete, dass Gerechtigkeit geschehen möge, dass ihr Mann freigesprochen werden und die Polizei das Monster aufspüren möge, das ihre geliebte Bridget getötet hatte.

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40
    Wer hat Bridget McGivern getötet?
    SCHEISSE ! Ich war zu spät aufgewacht, hatte mich schlaftrunken in die Küche vorgetastet und mir den Zeh an der Tafel gestoßen,

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