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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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zugewiesen hatte. Laura weinte so heftig, daß ich mir nicht einmal sicher war, ob sie sehen konnte, was sie tat. Die Tränen wuschen ihr das Make-up von den Wangen und brachten die alten Verletzungen zum Vorschein wie eine Grundierung. Strähnen roten Haares hatten sich gelöst und schwangen ihr ums Gesicht.
    Gilbert konzentrierte sich nun auf Ray. »Wenn du irgendwelchen Ärger machst, lege ich sie um«, sagte er.
    Ray sagte: »Tu’s nicht. Bleib ruhig. Ich mache mit.«
    Gilbert warf mir einen Blick zu. »Wollen Sie mir nicht die Schlüssel geben? Ich wäre Ihnen dankbar.«
    Ich griff nach den Schlüsseln, die immer noch auf dem Küchentisch lagen. Es war mir zuwider, sie herzugeben, aber mir fiel keine andere Lösung ein. Ich legte sie auf Gilberts Handfläche. Er beäugte sie kurz und steckte sie dann in seine Jackentasche.
    Ray sagte: »Hör mal, Gilbert. Das ist eine alte Geschichte. Sie hat nichts mit diesen dreien zu tun. Du kannst mit mir machen, was du willst, aber laß sie aus dem Spiel.«
    »Ich weiß, daß ich machen kann, was ich will. Ich tue es ja bereits. Die beiden sind mir völlig egal, die alte Schachtel und die da«, sagte er mit einem Wink auf mich. »Aber mit ihr muß ich noch abrechnen. Sie ist mir davongelaufen.« Er sah zu Laura hinüber und runzelte die Stirn. »Könntest du jetzt mal mit diesem Isolierband anfangen, wie ich gesagt habe?«
    »Gilbert, bitte tu das nicht. Bitte.«
    »Würdest du gefälligst damit aufhören? Ich tue doch überhaupt nichts«, sagte er gereizt. »Was tue ich denn? Ich stehe nur hier und rede mit deinem Dad. Los jetzt, tu, was ich dir gesagt habe. Ray versucht bestimmt keine krummen Touren.«
    »Können wir nicht einfach gehen? Uns ins Auto setzen und wegfahren, nur wir beide?«
    »Du bist noch nicht fertig. Du hast noch nicht einmal angefangen«, sagte Gilbert. Er begann ärgerlich zu klingen — kein gutes Zeichen.
    Rays Miene war milde, als er Laura ansah. »Ist schon okay, Liebes. Mach nur, was er sagt. Sorgen wir dafür, daß alle hier die Ruhe bewahren.«
    Gilbert lächelte. »Ganz meiner Meinung. Bleibt alle ganz ruhig. Ich will, daß seine Knöchel an die Stuhlbeine gefesselt werden. Und seine Hände möchte ich hinter ihm haben, bind sie nur schön zusammen. Ich werde dich kontrollieren, also bilde dir bloß nicht ein, du könntest so tun, als würdest du ihn fesseln und es dann nicht richtig machen. Ich hasse es, wenn jemand versucht, mich zum Narren zu halten. Du weißt ja, wie ich bin. Putz dir die Nase und hör auf zu heulen.«
    Laura kramte in ihrer Tasche herum, zog ein Papiertaschentuch hervor und tat, wie er sie geheißen hatte. Sie steckte es wieder weg und zog ein Stück Isolierband ab, dessen Klebefläche dabei ein reißendes Geräusch verursachte. Dann begann sie das Band um Rays linken Knöchel zu wickeln, indem sie zuerst die Hose um sein Schienbein faltete und anschließend das Band in mehreren Schichten um das Stuhlbein wand.
    »Ich will das fest haben. Wenn du es nicht fest genug machst, schieße ich ihm ins Bein.«
    »Ich mache es fest!« Sie funkelte Gilbert an, und einen Moment lang stand nichts als Zorn anstelle von Furcht in ihren Augen.
    Es schien ihm zu gefallen, daß er sie aufgebracht hatte. Ein leises Lächeln zog sich über sein Gesicht. »Was soll dieser Blick?«
    »Wo ist Farley?« fragte sie düster.
    »Ach, der. Ich habe ihn in Kalifornien gelassen. Er hat sich zu einem richtig nutzlosen Drecksack entwickelt. Nichts als Jammern und Nörgeln. Sowas widert mich wirklich an. Es war nämlich so: Der Typ hat dich verpfiffen. Ehrlich wahr. Er hat dich verraten. Farley hat mir alles erzählt, weil er seine eigene Haut retten wollte. Ich bewundere sowas nicht. Ich finde es ekelhaft.« Er schob sich seitwärts zu dem Stuhl hinüber, auf dem Ray saß. Dabei behielt er uns alle genau im Auge, um sicherzugehen, daß sich niemand bewegte, während er sich neben den Stuhl hockte und das Band kontrollierte. Dann stand er auf, offenbar zufrieden mit ihrer Arbeit. »Wenn du mit ihm fertig bist, kannst du mit ihr weitermachen«, sagte er und meinte mich.
    Sie riß ein weiteres Stück Isolierband ab und begann, Rays linkes Bein am Stuhl festzubinden. »Was hast du mit ihm gemacht?« fragte sie.
    Gilbert stand wieder aufrecht und trat zwei Schritte zurück. »Was ich gemacht habe? Wir reden nicht davon, was ich gemacht habe. Ich habe gar nichts gemacht. Es geht darum, was du gemacht hast. Du hast mich verraten, Baby. Wie oft habe ich dir

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