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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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keine Zimmernummern herausgeben. Aber ich sage Ihnen was: Sie können sie ja anrufen, wenn Sie auf Ihrem Zimmer sind. Die Vermittlung stellt Sie gerne zu ihr durch.«
    »Oh, natürlich. Kein Problem. Ich kann mich auch später noch bei ihr melden. Ich weiß ja, daß sie genauso müde ist wie ich. Mit der Nachtmaschine zu fliegen, ist zermürbend.«
    »Das kann ich mir denken. Sind Sie geschäftlich hier oder auf Urlaub?«
    »Ein wenig von beidem.«
    Ms. Biggs steckte meinen Zimmerschlüssel in ein Mäppchen und schob beides über die Theke zu mir herüber. »Angenehmen Aufenthalt.«
    Als ich mit dem Aufzug nach oben fuhr, wurde ich mit symphonischer Musik berieselt, während ich mich in dem Rauchglasspiegel musterte. »Du siehst ekelhaft aus«, sagte ich zu meinem Ebenbild. Im achten Stock war die Beleuchtung düster, und es herrschte Totenstille. Wie ein Dieb tappte ich den breiten, mit Teppichboden ausgelegten Flur entlang und schloß meine Tür auf. Der mittelalterliche Zierat erstreckte sich nicht bis hierher. Mit einemmal war ich aus dem England des vierzehnten Jahrhunderts im wilden und rauhen Westen angekommen, in einem Dekor, das noch von den Vorbesitzern übriggeblieben war. Das Zimmer war in gebrannten Orange- und Brauntönen gehalten und die Tapete wie eine Holztäfelung strukturiert. Die Tagesdecke war mit Kakteen und Sätteln gemustert und mit verschiedenen Rinderbrandzeichen bestickt. Ich sah mich rasch überall um, um meine Unterkunft würdigen zu können.
    Rechts von der Tür befand sich ein doppeltüriger Wandschrank mit vier hölzernen Kleiderbügeln, einem Bügeleisen und einem etwa sechzig Zentimeter langen Bügelbrettlein mit kurzen Metallfüßen. Gegenüber war eine Ankleideecke mit Spiegel und Waschbecken, daneben hing rechts an der Wand ein Fön. Auf der Ablagefläche stand eine Kaffeemaschine für vier Tassen, dazu Zucker und Kaffeeweißer in Portionstüten. Ein Körbchen barg kleine Fläschchen mit Shampoo, Haarspülung und Körperlotion, außerdem ein kleines Nähset und eine Duschhaube in einem Schächtelchen. Im Badezimmer gab es eine Fiberglaswanne mit einer Duschvorrichtung, die etwa auf Nackenhöhe aus der Wand ragte. Der Duschvorhang aus Plastik war mit Hufeisen und sich aufbäumenden Wildpferden bedruckt. Dazu kamen eine Toilette, drei Badetücher, eine Badematte und eine dieser Badewanneneinlagen aus Gummi, die das Risiko eines üblen Sturzes und eines noch übleren Prozesses mindern sollen.
    Es gab keine Minibar, aber ein Glas mit cellophanverpackten Bonbons in vier schreienden Farben. He, toll. Was für ein Luxus. Darüber hinaus war ich mit einem Telefon, einem Fernseher und einem Radiowecker gesegnet. Morgen früh würde ich Henry anrufen und mich über die neuesten Entwicklungen in Santa Teresa informieren. Bis dahin zog ich die Vorhänge zu und schälte mich aus meinen Kleidern, die ich ordentlich auf die magere Auswahl an Kleiderbügeln hängte. Aus Gründen der Hygiene wusch ich mit einem Klumpen Haarshampoo mein Höschen aus, solange ich noch dazu kam. Im Notfall konnte ich den Fön und das Bügeleisen dazu verwenden, es zu trocknen, bevor ich es wieder anzog. Ein kurzer Anruf bei American Airlines sagte mir, daß es bis später am Tag keinen einzigen Flug von Dallas nach Palm Beach gab, was hieß, daß Laura die Nacht hier verbringen würde.
    Es war fast halb vier Uhr morgens, als ich das Bitte-nicht-stören-Schild außen an die Tür hängte und nackt zwischen die Laken schlüpfte. Ich sank nahezu auf der Stelle in einen tiefen, friedlichen Schlaf. Wenn Laura Huckaby trickreich war und irgendwann im Taufe der nächsten acht Stunden das Hotel verließ, konnte ich es vergessen. Dann würde ich mich in ein Flugzeug setzen und nach Hause fliegen.

    Ich wachte um die Mittagszeit auf und benutzte meine Reisezahnbürste, um den Pelz aus meinem Mund zu entfernen. Ich duschte, wusch mir die Haare und stieg wieder in die Kleider vom Vortag, wobei ich meine Ersatzunterhose anzog, da mein frisch gewaschenes Höschen noch feucht war. Dann gönnte ich mir ein kräftiges Mahl aus heißem Kaffee mit zwei Tütchen Zucker und Kaffeeweißer pro Tasse sowie vier Bonbons, zwei Orange und zwei Kirsch. Als ich schließlich die Vorhänge aufzog, wankte ich vor der grellen texanischen Sonne zurück. Vor dem Fenster konnte ich trockenes, flaches Fand sehen, das sich fast ohne einen Baum oder Busch bis zum Horizont erstreckte. Lichtblitze schossen vom einzigen anderen Gebäude in Sicht herüber:

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