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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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angeblichen Einbruch angeht, wissen wir nicht einmal, was gestohlen wurde, geschweige denn, wer es war.«
    »Ich dachte, du hättest den Kerl gesehen.«
    »Sicher, ich habe ihn aus Johnnys Wohnung kommen sehen. Ich kann aber nicht beschwören, daß er irgend etwas mitgenommen hat.«
    »Was ist mit diesem Mädchen mit dem Matchsack?«
    »Sie weiß womöglich nicht einmal, wie wichtig die Tasche ist, die sie mit sich herumschleppt. Auf jeden Fall war sie nicht an dem tätlichen Angriff beteiligt.«
    »Hat sie sich dann nicht dadurch strafbar gemacht, daß sie gestohlene Gegenstände entgegengenommen hat?«
    »Wir können nicht einmal beschwören, daß ein Diebstahl stattgefunden hat«, sagte ich. »Außerdem hat sie vielleicht nicht die geringste Ahnung davon, daß irgend etwas faul ist. Ehemann kommt nach Hause. Sie fährt weg. Er sagt, tu mir einen Gefallen und nimm das mit.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich würde liebend gern diesen Matchsack in die Finger bekommen. Er könnte uns eine Ahnung davon vermitteln, worum es hier geht.«
    »Kinsey...« sagte Henry warnend.
    »Henry, mach dir keine Sorgen. Ich gehe keinerlei Risiko ein.«
    »Es paßt mir nicht, wenn du das sagst. Ich weiß doch, wie du bist. Wo wohnst du eigentlich? Ich will die Telefonnummer.«
    Ich gab ihm die Telefonnummer, die auf die Unterlage aufgedruckt war. »Es ist ein Hotel namens Desert Castle, in der Nähe des Flughafens von Dallas. Zimmer 815. Die Frau ist oben im zwölften Stock.«
    »Was hast du vor?«
    »Frag mich nicht«, sagte ich. »Ich werde einfach abwarten und sehen müssen, was sie tut. Sie hat ein Flugticket bis Palm Beach, und wenn sie wieder ins Flugzeug steigt, werde ich schätzungsweise dasselbe tun.«
    Er schwieg einen Augenblick. »Wie steht’s mit Geld? Brauchst du noch etwas?«
    »Ich habe ungefähr vierzig Dollar in bar und ein Flugticket nach Hause. Solange ich mit meiner Kreditkarte vorsichtig umgehe, komme ich bestens aus. Ich hoffe, du wirst Chester mit meiner Professionalität beeindrucken. Ich habe wirklich kein Interesse daran, massenhaft Kosten anzuhäufen.«
    »Die Sache gefällt mir nicht.«
    »Ich bin auch nicht gerade begeistert von der Situation. Ich wollte nur, daß du weißt, wo ich bin.«
    »Versuch, keine Straftat zu begehen.«
    »Wenn ich die texanischen Gesetze kennen würde, wäre mir das eine Hilfe«, sagte ich.

8

    Ich fuhr in die Hotelhalle hinunter und spazierte umher, um ein Gefühl für das Gebäude zu bekommen. Bei Tag besaßen der rote Samt und das Gold eine ebenso trostlose Ausstrahlung wie ein leeres Kino. Ein Weißer in einer roten Uniform schob einen jaulenden Staubsauger auf dem Teppichboden vor und zurück. Die Angestellte der Nachtschicht war verschwunden, und die Rezeption war mit einem Korps gesund aussehender, marineblau gekleideter junger Leute besetzt. Niemand vom Personal würde mir weiterhelfen. Sämtliche merkwürdigen Anfragen würden an den Schichtleiter, den stellvertretenden Geschäftsführer oder den Geschäftsführer selbst weitergereicht werden, die mich allesamt mit genau der Skepsis beäugen würden, die ich verdiente. Auf meiner Suche nach Informationen würde ich einfallsreich vorgehen müssen, also mit den üblichen Lügen und Täuschungsmanövern.
    Die meisten Hotelgäste neigen dazu, eine Einrichtung anhand ihrer eigenen Bedürfnisse zu betrachten: Rezeption, Restaurants, Souvenirladen, Toiletten, öffentliche Telefone, Pagen, Konferenzsäle und Besprechungsräume. Bei meinem ersten Erkundungsgang suchte ich nach den Büros der Direktion. Ich ging an der Wand entlang und drückte mich schließlich durch eine Glastür in einen mit üppigem Teppich ausgelegten Flur, der sich durch holzgetäfelte Wände und indirekte Beleuchtung auszeichnete. Die Büros der verschiedenen Abteilungsleiter waren mit glänzenden Messingbuchstaben markiert.
    In diesem Teil des Hotels hatte man keine Bemühungen unternommen, die mittelalterliche oder die Cowboy-Attitüde zu verfolgen. Da wir Samstag hatten, waren die verglasten Büros des Verkaufsleiters und des Sicherheitschefs dunkel und die Türen verschlossen. Die Bürozeiten standen in ordentlichen Goldbuchstaben angeschrieben und versicherten mir, daß ich bis Montag morgen um neun Uhr freie Bahn hätte. Ich nahm an, daß vierundzwanzig Stunden lang Wachmänner im Einsatz waren, hatte aber bisher keinen gesehen. Die Verkaufsleiterin hieß Jillian Brace. Der Name des Sicherheitschefs lautete Burnham J.

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