Letzte Ehre
nicht, hinge davon ab, wie gut ihre Nerven waren. Wenn sie eine große Summe legalen Geldes bei sich hätte, warum sollte sie dann nicht den Hotelsafe nutzen? Es sei denn, die Beute selbst war es, worüber Ray Rawson die Unwahrheit gesagt hatte.
Ich kam im achten Stock an, stieß die Tür auf und ging auf Zimmer 815 zu. Ein Mann im Straßenanzug stand vor meinem Zimmer auf dem Flur. Ich blieb auf der Stelle stehen. Er drehte sich um, als er mich sah. Ich konnte einen Blick auf das Namensschild an seinem Jackett werfen. Der Matchsack kam mir mit einem Mal riesig und ziemlich auffällig vor. Warum sollte ein Zimmermädchen eine Segeltuchtasche von solchen Ausmaßen mit sich herumschleppen? Ich bewegte mich automatisch auf den Abstellraum zu. In meinem Brustkasten brannte es, und ich begann zu hyperventilieren. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie er noch einmal an meine Tür klopfte. Ganz unauffällig musterte er den Flur in beiden Richtungen, holte dann einen Hauptschlüssel heraus und ging in mein Zimmer. O Gott, was nun?
Ich stellte den Matchsack auf ein Regalbrett in der Wäschekammer und legte einen Stapel sauberer Bettwäsche darüber. Die Laken purzelten zu Boden, und der Matchsack kippte hinterher. Ich hob ihn auf und stopfte ihn übergangsweise in einen riesigen Wäschesack, der für Schmutzwäsche gedacht war. Dann kniete ich mich hin und begann, die Bettwäsche wieder zusammenzufalten. Ich mußte etwas tun, während ich darauf wartete, daß der Typ wieder aus meinem Zimmer verschwand. Ich spähte um die Tür herum. Nichts von ihm zu sehen, also mußte ich annehmen, daß er nach wie vor in meinem Zimmer war und meine Habseligkeiten durchstöberte. Meine Umhängetasche war im Wandschrank, und ich wollte nicht, daß er sie durchsuchte, aber ich sah im Grunde keine Möglichkeit, ihn davon abzuhalten, außer indem ich das Haus in Brand steckte. Ich hörte, wie die Tür zum Feuerausgang auf- und wieder zuging. Bitte, bitte, bitte, laß es nicht eines der echten Zimmermädchen sein, dachte ich. Jemand trat in mein Blickfeld. Ich sah auf. Nun, meine Gebete waren erhört worden. Es war nicht das Zimmermädchen, es war der Wachmann.
Ich spürte, wie ein Blitzstrahl der Angst mich von oben bis unten durchzuckte und die Hitze mein Gesicht rötete. Er war Mitte Vierzig, hatte kurzes Haar und eine Brille, war sauber rasiert und zu dick. Meiner Meinung nach hätte er bei seinem Wanst Bauchgymnastik treiben sollen. Er stand da und sah mir dabei zu, wie ich einen Kopfkissenbezug faltete. Ich lächelte nichtssagend. Ich fühlte mich wie eine Schauspielerin, die mitten auf der Bühne einen Anfall von Lampenfieber bekommt. Sämtliche Spucke verschwand aus meinem Mund und sickerte am anderen Ende hinaus.
»Darf ich fragen, was Sie hier machen?«
»Ah. Ich wollte nur die Bettwäsche in Ordnung bringen. Mrs. Spitz hat mich gebeten, den Wäschebestand hier oben zu überprüfen.« Ich richtete mich schwerfällig auf. Nicht einmal in meiner Verkleidung als demütiges Zimmermädchen wollte ich, daß er mich überragte.
Er musterte mich eingehend. Sein Blick war flach und sein Tonfall eine Mischung aus Autorität und Beurteilung. »Darf ich um Ihren Namen bitten?«
»Ja.« Mir war klar, daß ich ihm besser einen nannte. »Katy. Ich bin neu. Ich werde noch angelernt. Eigentlich ist das die Schicht von Eileen und Bernadette. Ich sollte ihnen helfen, aber jetzt sind mir diese Laken heruntergefallen.« Ich versuchte, erneut zu lächeln, doch mein Gesichtsausdruck ähnelte eher einem aufgesetzten Grinsen.
Er studierte mich nachdenklich und erwog offenbar den Wahrheitsgehalt der Äußerung, die ich gerade getan hatte. Sein Blick wanderte meine Uniform hinab. »Wo ist denn Ihr Namensschild, Katy?«
Ich legte mir die Hand aufs Herz wie bei einem Treueschwur. Mir wollte einfach keine Antwort einfallen. »Ich hab’s verloren. Ich soll ein neues bekommen.«
»Was dagegen, wenn ich mir das von Mrs. Spitz bestätigen lasse?«
»Klar, kein Problem. Machen Sie ruhig.«
»Wie heißen Sie mit Nachnamen?« Er hatte bereits sein Walkie-talkie herausgezogen, und sein Daumen bewegte sich auf den Knopf zu.
»Beatty, wie Warren Beatty«, sagte ich ohne nachzudenken. Zu spät wurde mir klar, daß mein Name nun Katy Beatty lautete. Ich schwafelte weiter. »Falls Sie auf der Suche nach dem Geschäftsführer heraufgekommen sind, der ist auf 815. Die Frau, nach der er sucht, ist gerade auf dem Weg nach unten«, sagte ich. Ich wies in die
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