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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Sie halten es für angemessen, daß ich das ganze Geld dafür ausgegeben habe, damit Sie nach Dallas und zurück fliegen können? Ich habe Ergebnisse erwartet.«
    »Moment mal. Bislang haben Sie keinen Cent ausgegeben. Ich hatte die Unkosten. Sie sollen sie mir zurückzahlen.« Ich nahm die Kappe von meinem Kugelschreiber ab und malte Lincoln einen Schnurrbart an, wodurch seine Nase kleiner wirkte. Es war mir nie aufgefallen, was für einen Riesenzinken er hatte.
    »Wofür zurückzahlen? Frische Luft und Sonnenschein? Vergessen Sie’s.«
    »Hören Sie mal. Wir haben eine Entscheidung getroffen, die sich als falsch erwiesen hat.«
    »Weshalb soll ich dann bezahlen? Ich bezahle Sie doch nicht für Ihre Inkompetenz.«
    »Chester, glauben Sie mir. Ich bin mein Geld wert. Ich könnte schon für die Hälfte der Dinge, die ich riskiert habe, meine Lizenz entzogen bekommen. Ich darf in diesem Bundesstaat nicht einmal arbeiten.« Ich legte die beiden Münzen auf entgegengesetzte Ecken des Fünf-Dollar-Scheins, um ihn zu fixieren.
    »Das ist Ihr Problem, nicht meines. Ich wäre nicht einverstanden gewesen, wenn ich gewußt hätte, daß Sie einem Phantom nachsetzen.«
    »Tja, ich auch nicht. Das ist eben das Risiko, das wir eingegangen sind. Am Anfang waren Sie genauso schlau wie ich.« Zum Spaß schrieb ich ein schlimmes Wort auf die Vorderseite des Fünf-Dollar-Scheins. Es war die einzige Methode, die mir einfiel, um ihn nicht anzuschreien.
    »Zum Teufel damit. Sie sind gefeuert!« hörte ich ihn fauchen. »Verflucht noch mal!« sagte er zu sich selbst, als er mir direkt ins Ohr den Hörer aufknallte.
    Ich schnitt dem toten Hörer eine Grimasse und rollte mit den Augen. Dann hievte ich ein Telefonbuch nach oben und begann nach der Reservierungsnummer von American Airlines zu suchen. Es war peinlich, zuzugeben, daß das alles umsonst gewesen war, aber ich sah nicht, was für einen Sinn es haben sollte, wenn ich in Dallas blieb. Ich hatte einen Fehler gemacht. Ich hatte von Anfang an gewußt, daß meine Handlungsweise impulsiv war. Ich war anhand der Informationen, die ich eben besaß, vorgegangen, und wenn sich mein Urteil als falsch erwies, konnte ich nun nichts mehr daran ändern. Ich merkte, daß ich mich eifrig darum bemühte, mich selbst in Schutz zu nehmen, aber nach Chesters Entrüstung war das ja nur allzu verständlich. Wer konnte es ihm schon übelnehmen?
    Ich nahm den Fünfer zur Hand und studierte ihn genauer, wobei ich besonders auf die Feinheiten achtete. Auf Geldscheinen tummelt sich ein barockes Sortiment verwischter Namen und Ziffern neben verschnörkelten Schneckenmustern und amtlichen Siegeln. Hm, das war aber seltsam. Seit wann war Henry Morgenthau Finanzminister? Und wer war dieser ominöse Julian, dessen winzige Unterschrift so unleserlich war?
    Genau rechts von Lincolns Porträt stand »Serie 1934 A«. Ich kramte in meiner Handtasche, holte meine Brieftasche hervor und musterte die wenigen Geldscheine, die ich dabeihatte. Der einzige andere Fünfer in meinem Besitz war ein Buchanan-Regan, Serie 1981. Die Ein-Dollar-Scheine waren 1981er Buchanan-Regans und ein 1981-A-Ortega-Regan, dazu ein paar nagelneue Ortega-Bakers von 1985. Ein Zwanziger und ein Zehner stammten offenbar aus demselben Jahrgang. Wenn ich mich nicht irrte, hieß das, daß das Fünf-Dollar-Trinkgeld, das Laura Huckaby mir gegeben hatte, ein Geldschein von 1934 war. Wies das nicht darauf hin, daß sie es eilig hatte, Scheine aus einem Lager alter Banknoten auszugeben? Bestimmt hatte sie einen solchen Schein nicht zufällig in ihrem Besitz.
    Ich legte das Telefonbuch weg und verabschiedete mich von dem Gedanken, wieder in ein Flugzeug zu steigen. Vielleicht war doch nicht alles verloren. Ich nahm den Matchsack in die Hand und ging weiter, während ich stets die gesamte Hotelhalle im Blick behielt. Die fünf Geschäftsleute beugten sich einander zu und reichten sich gegenseitig die Blätter irgendeines Berichts. Wie in einer solchen Gruppe üblich, steuerte offenbar einer von ihnen die Aufmerksamkeit der anderen. Hinter mir öffnete sich abrupt die Tür, und bevor ich mich umdrehen konnte, wurde ich am Ellbogen gepackt und ins Treppenhaus gezerrt.

11

    »Wo zum Teufel sind Sie gewesen?«
    Ich wandte mich erstaunt um. Es war Ray, dessen zerschundenes Gesicht etwa fünfzehn Zentimeter von meinem entfernt war. Er hatte das Pflaster von seiner Nase entfernt, aber es sah immer noch so aus, als stecke in seinen Nasenlöchern Watte. Seine Haut

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