Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)
in den Safe tun muß. Es wäre nicht angebracht, wieder mit einer Art Tagebuch herauszukommen; was mich betrifft, genieße ich seine Schönheit und seine eigenwillige Komposition. Berlin umgibt mich mit süßem Gleichmut, wie ein leichtfertiges Versprechen. Vorgestern beim Arzt, dem unvergleichlichen Thomas: Alle meine Befunde sind ausgezeichnet, nur meine Prostata erregte ein wenig Verdacht … M. begehrt dann und wann gegen ihre Situation auf: Sie habe hier keinen Platz, sagt sie immer wieder. Sie sei aus der Fremde in die Fremde verschlagen und habe noch nicht einmal ein separates Badezimmer. Mein Leben gleicht immer weniger einem Roman …
16 . Januar 2006 Morgens vier Uhr. In Kürze brechen wir zu einer unserer überflüssigen – wenngleich schönen – Reisen auf; wir sehen dann Stockholm wieder und logieren großzügig im Grand Hotel, dem Schauplatz unseres einstigen Ruhmes. – Am Abend in der Neuen Nationalgalerie, unter der Führung von Peter Raue schauten wir uns die Picasso-Ausstellung an. – Die unaufhörlichen Bitternisse des Alterns: Immer wieder überrascht mich die Schwerfälligkeit meines Körper, diese erbärmliche Realität, mit der ich nicht rechne, wenn ich meine Pläne mache.
22 . Januar 2006 Ich würde gern einmal hier, im
Trivialen,
bleiben und ausführlich schreiben – worüber? Nun, über mich; meine Situation, mein Leben analysieren, zu Schlußfolgerungen kommen, wie ich es früher, in meinen produktiveren Jahren, getan habe. Meine Erlebnisse in Stockholm beschreiben, dieser wunderschönen Stadt, wie ich sie mit Magda vom Fenster des Grand Hotels aus erblickte … Die Menschen, in erster Linie die gefeierte Monica, der zuliebe wir überhaupt hingeflogen waren. Der Empfang in der deutschen Botschaft, die vielen freundlichen Gespräche. Die Rückreise, das Trostlose und Grauenhafte der Flughäfen, die stille Brutalität der Reisenden, unsere spleenige Müdigkeit … Unser gestriges Abendessen mit Esterházy und Nádas im Big Window … Mein Leben scheint sich jetzt, zum Ende hin, zu weiten: die Einladung des französischen Ministerpräsidenten (Botschafter Martin zufolge wollte er mich unbedingt kennenlernen, er liest meine Bücher), die Nachrichten über den stetig wachsenden Einfluß meiner Bücher in England und sogar Amerika. Gestern aus Stockholm der Anruf von Ervin R., seine Begeisterung über
Dossier K
., obwohl er nicht so leicht zu begeistern ist. Ich freue mich über dieses Buch, einmal
an sich
[11] , zum anderen, weil es mir den Horizont für
Die letzte Einkehr
öffnet. Aber heute geht es nicht weiter, und so geht es mir immer, wenn ich die Datei öffne, um über etwas zu berichten, egal was …
29 . Januar 2006 Sieben Uhr morgens. Allein in der Meineke-Straße: Magda ist in Budapest. Vorgestern das Konzert, das wegen Barenboims plötzlicher Erkrankung von Julien, seinem Assistenten, dirigiert und durchgehend auf dem Klavier begleitet wurde. Großer Jubel, das Publikum drückte mit
standing ovations
seinen Wunsch für baldige Genesung Barenboims wie seine Begeisterung für Julien und für Znaider aus, diesen brillanten jungen Geiger, der Mozarts D-Dur-Violinkonzert gespielt hatte. Der ganze Abend war tief bewegend. Julien, Znaider, gute Gesichter, gute Herzen, begabte russische Juden.
31 . Januar 2006 Über ungarische Moral im Zusammenhang mit den Spitzelenttarnungen: Wie seinerzeit Csurka versucht nun auch Szabó, der Filmregisseur, sich mit Selbstverklärungen aus dem üblen Sachverhalt herauszuwinden. Szabós Märchen ist vielleicht noch lehrreicher, bei ihm kommt dabei nämlich heraus, er habe seine Ehre (die er im übrigen nie besaß) verloren, um auf diesem Weg das Leben eines Kollegen zu retten (den man nicht fragen kann, da er, wie es der Zufall so will, nicht mehr unter den Lebenden weilt). Resümee: Schämen möge sich, wer kein Spitzel war.
3 . Februar 2006 Das tägliche Elend des Verfalls Europas. Europa bittet den Islam um Gnade, zuckt und windet sich vor Ergebenheit. Dieses Schauspiel widert mich an. Feigheit und moralische Debilität werden Europa zerstören, seine Unfähigkeit, sich zu verteidigen, und der offenkundige moralische Schlamassel, aus dem es seit Auschwitz nicht herausgefunden hat. Es begann mit einer Erhebung gegen die östliche Tyrannei (Perserkriege) und endet mit einer Kapitulation vor der unwürdigsten östlichen Macht (Palästinenser).
Requiem aeternam
…
12 . Februar 2006 Gestern nachmittag sind wir aus Toulouse
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