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Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)

Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)

Titel: Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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Welt, wo ich mich wie zu Hause bewege – zum Beispiel in den Bergen um das Gstaader Hotel –, und das ist als Zuhause auch genug.
    6 . März 2007  In der Nacht fing ich den Text für einen Vortrag für die Bodoky-Konferenz an, der vom «Wert des menschlichen Lebens» handeln soll. «Große Dinge verlangen, daß man von ihnen schweigt oder groß redet: groß, das heißt zynisch und mit Unschuld.» Lächerlich, aber es muß sein.
    8 . März 2007  Gstaad. Gestern Abendessen im Restaurant neben dem Casino, als Gäste T.’s. Erneut bewunderte ich die existentielle Ernsthaftigkeit, die Lebensführung dieses Abenteurers und die Liebenswürdigkeit der schönen Ranja. Im Morgengrauen am Computer schließlich mühsam den Ton für meinen Bodoky-Vortrag gefunden. Vormittags Spaziergang mit M. in der Stadt – eigentlich brauchte ich das alles nicht festzuhalten, hätte ich nicht das Gefühl, daß ich dem Ende nahe bin. Ich werde in Unordnung sterben, wie ein schlechter Angestellter, den man gefeuert hat und der mit eingezogenem Kopf abzieht, Schreibtisch und Aktenschrank so unaufgeräumt hinterlassend, daß sich die Nachfolger nicht mehr darin auskennen.
    19 . März 2007  (Ominöses Datum.) Schwere Rückenschmerzen und alle möglichen Ängste. M. in Budapest, um unser Zuhause in Ordnung zu bringen. Wie oft sage ich, ich brauche kein Zuhause. Der unerträgliche Terror des Alters, mein Körper als Schauplatz und hilfloses Opfer. Heute abend habe ich mich schon um 10 Uhr niedergelegt und setze nun nach anderthalb Stunden Tiefschlaf meine Spiele am Computer fort: auf der Suche nach Zitaten für den
Europa
-Essay. Zeit totschlagen, auf Irrwegen gehen, und immer von neuem: Ohnmächtigkeit, Sich-treiben-Lassen.
    22 . März 2007  Als irreales Requisit einer irrealen Welt irre ich im Umkreis der Meineke-Straße umher. Versorge mich mit Unmengen von Arbeit und Terminen, um mich nicht zu langweilen. Ergebnis: Ich langweile mich, und dazu plagt mich der Streß des Termindrucks. – Ein Jenaer Literaturwissenschaftler – Dietmar Ebert – hat die Abhandlung über meine Bücher geschrieben, die man eigentlich über meine Bücher schreiben muß. Seine musikalische und literarische Analyse verortet sie mit ziemlicher Genauigkeit in der deutschen Kultur, ohne daß dies besonders betont würde. Verortet sie in der Welt Mahlers und der Dodekaphonie und macht ihre Wurzeln am Ursprung des deutschen Entwicklungsromans, an Goethes
Wilhelm Meister
, fest. Ja, aber darüber schweigt seine Abhandlung, wer, welche Kultur, welche Sprache mein in einer Antisprache geschriebenes Werk bewahren wird.
    31 . März 2007  In Budapest. Endgültige Erschöpfung. Vorgestern in der Universität Szeged: ein außergewöhnlich gutes Publikum, viele junge Leute, der Samen fiel auf fruchtbaren Boden. Aber alles übrige … Ich kann meinen Freundespflichten nicht genügen, Fremde bringen mich um meine Zeit, meine Nerven … Die ständig geschwollenen Beine; die drohende Anwesenheit der Familie; nahezu eine Woche habe ich mit meiner Steuer-Erklärung verbracht.
    7 . April 2007  In Budapest. Gedächtnisschwäche, Vergeßlichkeit, allgemeine Verblödung; vielleicht der viele Rotwein? Gestern abend das Konzert mit András, er dirigierte Bachs
Matthäuspassion
. Immer mehr bewundere ich sein Stehvermögen, seine Bildung, die er sich offenbar in der Zwischenbreite neuknöchel-bescheiden zugelegt hat. Dann Gesichter, Gesichter, bis zur Unkenntlichkeit.
    13 . April 2007  Ich wäre neugierig zu erfahren, ob es sich bei meinem Eintrag vom 7 . April um eine Verstümmelung durch den Computer handelt oder tatsächlich um Senilität, die sich meiner zunehmend bemächtigt. Besonders das «neuknöchel-bescheiden» gefällt mir, weil es genau den Zustand meiner Beine beschreibt.
    15 . April 2007  [Berlin] Verzaubert saßen wir auf der zum See gehenden Terrasse, die rötliche Abenddämmerung färbte die Gesichter, weiter weg die im schwindenden Licht wankenden großen Bäume … Für die Rede im Juni habe ich noch keine einzige Zeile fertig, ja, es existiert nicht einmal eine Idee dazu.
    23 . April 2007  Morgens gegen halb fünf beginnt auch hier in Berlin eine Nachtigall zu singen, mit der gleichen zaghaften, noch ein wenig schlaftrunkenen Stimme wie einst in Szigliget.
    22 . Mai 2007  
Freundschaft: Ein Irrglaube – Ligeti-Roman. –
Morgens sechs Uhr 25 , endlich, endlich sieht es so aus, als wäre alles in Ordnung …
    24 . Mai 2007  Heute im Morgengrauen nahm

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