Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)
habe ich mich wieder hingelegt und noch eine Stunde geschlafen. Um ehrlich zu sein, mein physischer Zustand verbittert mich. Mein ganzer Körper ist steif, ständig begleiten mich Kreuz-und Rückenschmerzen, beide Beine sind von den Zehen aufwärts gefühllos, und ein Nagel hat sich schwarz gefärbt. Manchmal kommt mir der Urologe in den Sinn, demzufolge mein «Tumormarker» angeblich «nicht ganz negativ» ist: Es ist möglich, daß ich Prostatakrebs habe, und das bedrückt mich kein bißchen. Obwohl ich jeden Tag noch immer gern aufstehe, um zu arbeiten, betrübt mich der Gedanke an den nahen Tod nicht: Ich bin bereit.
13 . Januar 2004 Die letzten beiden Tage lassen sich schwer rekonstruieren. Hauptsächlich habe ich an der
Letzten Einkehr
gearbeitet. Auf das Vorwort mußte ich verzichten, aber die dritte Person funktioniert.
16 . Januar 2004 Ja, die dritte Person funktioniert. Ich weiß nicht, wie diese drei Tage vergangen sind. An einem Tag, das erinnere ich, bin ich nachmittags um halb vier ins Badezimmer gegangen, um die Morgentoilette zu verrichten. Offenbar hatte ich bis dahin gearbeitet. Heute morgen habe ich zu meiner Schande am Computer eine Stunde damit zugebracht, einen sogenannten Ordner einzurichten. Heute abend kommt M. zurück, und dann wird mein Leben wieder übersichtlicher werden.
17 . Januar 2004 Nicht zu glauben, daß ich gestern etwas in dieses Tagebuch geschrieben haben soll. Aber das Datum zeigt es. Vielleicht geschah es in der Morgendämmerung; ich erinnere mich nicht. Am Abend kam M. an, müde; am Flughafen gab es einige Schwierigkeiten wegen des Bildes, das wir von Pista Nádler bekommen hatten; in strömendem Regen kamen wir zu Hause an, gegenüber bei Diekmann erwartete uns schon Prof. Meier, wir aßen zusammen zu Abend. Dann ging ich zusammen mit M. nach Hause, müde, aber glücklich. Bis nachts um zwei unterhielten wir uns. Morgens schmiegte sie sich an mich. Später ging sie einkaufen, ich blieb den ganzen Tag zu Hause. Es regnete in Strömen. In der Nacht, genauer, in den frühen Morgenstunden von halb 5 bis 7 habe ich an der
Letzten
gearbeitet. Das ist für mich jetzt die denkbar glücklichste Beschäftigung, weil ich dauernd daran arbeiten kann, egal wo und wann, und keine «Hochspannung» notwendig erscheint, da das Material ja schon vorhanden ist. – Am Nachmittag schickte Ingrid die recht gute Übersetzung eines Drittels der Reemtsma-Rede. Außerdem versuchte ich das dumme Rätsel – oder die rätselhafte Dummheit – zu entschlüsseln, das – bzw. die – Kőbányai heißt. Im übrigen war ich den ganzen Tag benommen, fühlte mich wie erschlagen und bin auch jetzt müde, abends um 11 Uhr. – Dieses Tagebuch beginnt immer niveauloser zu werden und seine Daseinberechtigung zu verlieren.
18 . Januar 2004 Für mich ist es noch derselbe Tag: Nach meiner Computeruhr ist es 4 . 25 Uhr. Ich habe also ca. drei Stunden geschlafen; die Schlaflosigkeit bringt mich noch um (unter anderem). Am Abend noch Lust zu lesen: Gitta Serenys Albert-Speer-Buch. In letzter Zeit lese ich beschämend wenig. Überdies habe ich den Computer seit neuestem auf ein niedrigeres Gestell plaziert, das im rechten Winkel zu meinem Schreibtisch steht; nun blicke ich im Spiegel des Fensters zum Innenhof auf mich selbst und nicht mehr auf den großartigen Himmel von Berlin, das goldschimmernde Stahlgerüst des Westberliner Funkturms mit den rötlich schimmernden Wolken darüber, wie ich es, noch im Dunklen, sehe, wenn ich die Stufen zu meinem Arbeitszimmer hinaufsteige.
21 . Januar 2004 Morgens halb sechs. Seit einer Stunde kämpfe ich gegen die Schlaflosigkeit an; anstatt gleich in mein Zimmer hinaufzugehen, wälzte ich mich, bei dem Versuch, wieder einzuschlafen, hilflos im Bett herum. Es wartet also wieder einer jener Tage auf mich, an denen ich wie betäubt herumlungere, gewöhnlich bis in die späten Abendstunden, wenn ich wieder zu Bett gehe, um in der Morgendämmerung aufzuwachen und dann den ganzen Tag benommen herumzuhängen usw. – Vorgestern waren wir in Stuttgart; am frühen Morgen war der erste richtige Schnee gefallen; wir saßen zwei Stunden im Flugzeug fest, bis wir endlich starten konnten. Angeblich hatten sich 800 Zuhörer im Mozartsaal zu meiner Lesung versammelt. Es gelang mir, den üblichen Akt des Signierens zu umgehen; in erster Linie berief ich mich auf meine kranke Hand, der wahre Grund aber war die nahende Grippeepidemie, gegen die ich von Dr. von Brück geimpft und
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