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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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mehreren kleinen Tütchen eilte er kurz darauf zurück zur Gare de Lyon. Fast wäre ihm der Zug vor der Nase weggefahren.
    An einem Tischplatz machte Kieffer es sich gemütlich. Er war froh, die Reise mit dem Zug absolvieren zu können, denn er hielt nicht allzu viel vom Fliegen. Erstens waren die Check-in-Prozeduren lang und quälend, und zweitens durfte man, was viel schlimmer war, praktisch nichts mehr mit zu essen an Bord nehmen. Den Flugzeugfraß rührte er aus Prinzip nicht an, weswegen Fliegen für ihn stets gleichbedeutend war mit Hungern.
    Im Zug hingegen konnte man noch tafeln. Unter den Blicken seiner Mitpassagiere entnahm Kieffer einem der Tütchen zwei kleine, in Wachspapier eingeschlagene Pakete und öffnete sie. Eines enthielt einen Morbier aus dem Jura, das andere einen Picandou aus Schafsmilch, der mit Waldhonig beträufelt war. Aus der zweiten Tüte fischte er eine Plastikschale mit getrockneten Feigen, ein saucisson sec aus Aveyron sowie ein kleines Landbrot. Erst, als er all dies auf dem Tisch vor sich positioniert und sein Taschenmesser aus der Jackentasche geholt hatte, wickelte er die pièce de resistance aus, die den Höhepunkt seines Mahls bilden würde: eine dicke Scheibe foie gras de la maison, getrüffelt und mit Pistazien verfeinert, die Spezialität des Feinkostladens. Daneben stellte er eine kleine Flasche süßlichen Sauternes. Die nächste Stunde dachte Kieffer weder an Kats noch an Codes, sondern ausschließlich ans Essen.
    Es war bereits Abend, als er in Bern eintraf. Hatte ein Armeebunker Öffnungszeiten? Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Kieffer lief zum Taxistand und fragte einen Fahrer, wie weit es nach Jaggiwald sei.
    »Eine halbe Stunde vielleicht«, erwiderte der Mann. Er versuchte augenscheinlich, Hochdeutsch zu sprechen, dennoch verstand ihn Kieffer nur mit Mühe. »Gut, dann fahren Sie mich bitte hin. Die Adresse lautet Rütligass 1.«
    Der Fahrer nickte wissend. »Der alte Armeebunker.«
    »Dort sitzt die Armee? Was genau ist dort, eine Kaserne?«
    »Nein, schon lange nicht mehr«, antwortete der Mann, während er sich in den Verkehr einfädelte. »Wir haben in der Schweiz viele solcher Bunker, aber die Armee braucht sie nicht mehr, deshalb wurden die meisten vermietet.«
    Kieffer schwieg. Während der Fahrt grübelte er über die Botschaft auf der Mailbox und die Keycard nach. Griechische Götter. Primzahlcodierungen. Vier Faktorschlüssel, »drei von Hephaistos, einer aus der Hand des Hades«. Als er vorhin zum zweiten Mal die mysteriöse Mailbox angerufen hatte, war die Nachricht nicht mehr da gewesen. Nach dem ersten Rufton hatte der Computer die Verbindung unterbrochen.
    Kurz hatte er überlegt, ob die Leute, die ihn und Valérie bedroht hatten, das Tonband abgeschaltet haben könnten. Doch das schien ihm unwahrscheinlich. Der EDV-Mann des Gabin hatte mehrere Stunden gebraucht, um der Keycard ihre Geheimnisse zu entlocken. Nein, weder die unbekannten Häscher hatten die Nachricht gelöscht noch die Polizei. Sondern Kats. Dies war nach Kieffers Überzeugung die schlüssigste Erklärung dafür, dass die Leitung nun tot war. Der Softwareexperte musste die Mailbox mit einer Art Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet haben. Kieffer wusste nicht viel über Computerhacker, eigentlich gar nichts, aber er vermutete, dass diese Leute so vorgingen. Wer Keycards mit versteckten kryptografischen Codes versah, wer Codenamen wie Hades und Hephaistos benutzte – kurz, wer derart viel Wert auf Geheimniskrämerei legte, der sorgte auch dafür, dass eine Botschaft, die ihren Empfänger erreicht hatte, nicht länger im Netz blieb, sondern umgehend verschwand. In alten Agententhrillern waren die Nachrichten aus Papier und gingen nach der Lektüre in Flammen auf. Dies hier war anscheinend die moderne Entsprechung.
    Es war fast halb acht, als sie ankamen. Sie passierten ein paar Höfe, eine Kirche und eine Wirtschaft, dann war Jaggiwald auch schon wieder zu Ende. Hinter dem Dorf bogen sie auf einen kleinen Weg ab, der bergauf in Richtung eines Waldstücks führte. Nach fünf Minuten hielt das Taxi vor einer Felswand. In den Granit war eine stählerne Doppeltür eingelassen, an die drei Meter hoch und gut sechs Meter breit. Darüber waren mehrere orangene Leuchten sowie zwei große Scheinwerfer angebracht. Die einzige Beschriftung war eine kleine blaue Tafel rechts neben dem Eingang, auf der »Tor 1« stand.
    »Sind Sie sicher, dass Sie hierher wollen?«, fragte der

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