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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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einer Frau bedient, die war sehr zugeknöpft. Stellte nur eben das Essen hin und kassierte sofort. Als Alexander die Frau fragte, ob es hier irgendwelche Stickereien zu kaufen gibt oder diese Kumme, die ist doch wundervoll, ob er die nicht mitnehmen darf?, verschwand sie und kam nicht wieder. Nicht einmal der Hofhund nahm Notiz von ihnen.
     
    Auf der Dorfstraße kamen sie dann aber doch mit einem Bauern ins Gespräch. Der näherte sich ihnen, nicht gerade mit dem Hut in der Hand, aber doch ganz freundlich. Der Mann war von Natur aus neugierig, das war offensichtlich.
    Daß Sowtschick aus Deutschland kam, interessierte ihn. Die Sprache! Und daß sie sich verständigen konnten ganz ohne Dolmetscher!
    Eine Art Schwyzerdütsch sprach der Mann, und Alexander hörte ihm genauso aufmerksam zu, wie umgekehrt der Mann ihm.
     
    «Was hat er gesagt?»fragte der Professor.
    «Wo meine Frau ist, will er wissen, warum ich sie zu Hause gelassen habe. Daß jemand ohne seine Frau in der Welt umherreist, kann er nicht begreifen.»
    «Ohne Frau reisen, das ist nicht gut», sagte der Amish-Mann.
    Nächstes Mal soll er seine Frau mitbringen.
    Ob er nicht seinen Hut verkaufen will, das zu fragen traute sich Alexander nicht. Er erkundigte sich statt dessen, wieviel die leichten Pferdewagen kosten, die man hier überall sieht. Das wäre doch etwas ganz Wunderbares. Auch er lebe auf einem Dorf, von Wald umgeben, und um so einen Pferdewagen würden ihn dann alle beneiden.
    «Eine auchene Kutsch? - Zwanzigtausend Dollar», sagte der Mann und lachte,«auchene», das bedeutete«offene».
    Kein Strom, kein Gas, keinen Kunstdünger. Keine Autos. Aber sehr leichte, komfortable Kutschen, sogenannte«buggies». Und für kurze Wege«Roller».
    Alexander stellte sich vor, wie er mit der«auchenen Kutsch», ganz in Schwarz, durch Sassenholz fahren würde, mit Hut auf und mit Bart. Und keinen Gürtel verwenden, nur einen Trägerriemen, an zwei Häkchen festgemacht.
     
    Hier würde ich es aushalten, dachte Alexander, hier könnten sie mich lange suchen. Großlaibiges Brot und klaren Obstsaft? - Aber: Sonntags drei Stunden Gottesdienst und jeden Tag Bibelstunde … Wo er schon in Deutschland nie eine Sitzung der Akademie besuchte, von Kirche ganz zu schweigen …
    «Ja, unerträglich … aber wenn einer krank wird, ist sofort Hilfe da», sagte der Professor.«Wer eine neue Scheune braucht, kriegt sie an einem einzigen Tag hingestellt, ohne einen Pfennig zu bezahlen. »
    Ich brauche ja gar keine Scheune, dachte Sowtschick.
     
    Warum hatte er Marianne nicht mitgenommen? Wegen der Hunde? Wer sollte die Hunde versorgen und die Hühner und die Schafe?
    Besonders intensiv hatte er sie nicht gefragt, ob sie mitwill, von Drängen konnte keine Rede sein. Und dann hatte sie ja auch gleich gesagt:«Nein, wie soll ich das machen, ich kann hier nicht weg.»
    «Ich nehme meine Frau auch nicht mit, wenn ich nach Deutschland fahre, das kann ich mir finanziell gar nicht leisten», sagte der Professor. Und er hatte wohl vor, noch einiges mehr zu sagen, was seine Frau betraf, aber er schluckte es runter.
    Er machte sich Gedanken darüber, ob der Bauer vielleicht Schwierigkeiten bekäme, daß er mit ihnen gesprochen hat. Aber vielleicht schickten die immer extra einen auf die Straße, der so eine Art Sprecherlaubnis hat. Und der tritt dann vor den Gemeinderat und legt Rechenschaft ab. Und die stellen dann fest, daß sie es recht tun, mit den Fremden sich nicht abzugeben, das hat man mal wieder gesehen.
     
    Ob die Amish-Sprache in Deutschland oder sonstwo studiert werde, wußte der Professor nicht, er kannte lediglich einen Professor in Eugenie, der fließend Platt sprach. Der werde dauernd nach Deutschland eingeladen. Das Komische: Dieser Mann sei ein Schwarzer!
     
    Vielleicht gibt es hier einen Dichter, dachte Alexander, wer konnte das wissen? Der saß vielleicht in irgendeiner Hütte und schrieb mit Tinte und Feder ein Epos über das Amish-Volk. Warum wäre kein Kontakt mit ihm herzustellen?
    Frau Howart«war mal neugierig», wie sie sagte, ob er über die Amerikareise auch was schriebe eines Tages und ob sie das wohl zu lesen bekäme.
    Alexander hätte nun von seinem Buch sprechen können:«Unruhig in unruhiger Zeit», die Highways hinauf-hinunter, aber er sagte inspirativ: Er stelle sich vor, daß er hier eine Panne hat, nur mal angenommen, und dann an einer Hütte klopft, und da ist der Bauer grade nicht zu Hause, und eine junge Frau macht ihm auf...
     
    Auch

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