Letzte Gruesse
herübergeholt hatte, Ellen Butt-Prömse, die übrigens schon einmal hiergewesen sei und nächstes Jahr noch einmal komme - der habe man ein ergänzendes Stipendium genehmigen können -, Ellen Butt-Prömse, Scharrenhejm und Adolf Schätzing, nun bereits schon wieder auf Achse …
Nun kommst du an die Reihe, dachte Alexander, und ihm klopfte das Herz. Aber nein, er wurde nicht genannt oder gar gebeten, sich zu zeigen, obwohl er doch anwesend war. Statt seiner wurde ein Mann auf die Bühne geholt, der Erwin Meyer hieß, ein Überraschungsgast, aus der DDR kommend, ein großes Talent, von dem noch viel zu erwarten sei. Vater als Deserteur im Krieg erschossen! - Der Mann hatte eine Gitarre mitgebracht und sang zunächst etwas melancholisch von Freiheit und Kampf, dann aber zu Marschrhythmen russische Verse, die sich auf das Monopolkapital bezogen. Rasend war der Applaus zu nennen, der sich erhob. Irrte sich Alexander, oder sah man sich nach ihm um? Was er dazu sagt? Das ist doch immerhin noch Dichtung?
Man stand. Die ganze Welt müsse zusammenhalten, sagte der Botschafter und gab dem Sänger die Hand. Sein Land sei dazu bereit, Schulter an Schulter mit den Verbündeten … gerade jetzt, wo sich im Osten dunkle Wolken ballten oder, besser gesagt, sich ein Hoffnungsschimmer zeige. Man müsse sehen, wohin das führt …
Wenn er die vielen brennenden Lüster in diesem schönen Saal sehe, müsse er an die armseligen Kerzen denken, drüben, hinter der Mauer, von verzweifelten Menschen vor den Kirchen angezündet … Daß bisher alles gutgegangen sei, mit Mauer, Zaun und Eisernem Vorhang, das dankten wir den amerikanischen Freunden...
Noch einen Song zu Gehör zu bringen, weigerte sich der Barde. Der fühlt sich düpiert.
Man stand. Alexander sah nur Rücken, dicht an dicht. Maßgeschneiderte Anzüge und glitzernde Kleider, Damen mit Leberflecken und kleinen Warzen auf den Schulterblättern. Er hatte zwar das Gefühl, daß man ihn kannte, aber er ward nicht einbezogen in die Gespräche der Menschen. Keiner aus der Menge fühlte sich aufgerufen, dem Hebbel-Preisträger freundlich zuzulächeln:«Wir haben all ihre Bücher gelesen», niemand, der zu ihm gesagt hätte:«Wissen Sie was? Kommen Sie doch morgen zum Lunch zu uns. Ihr ‹Ruppsack› ist doch immer noch zum Schießen! »Nicht einmal das. Trug er denn nicht den Keyserling-Ring?
Im Pinkulatorium kam es dann doch noch zu einer Begegnung: Er traf auf einen Herrn mit seidenem Taschentuch in der Kavalierstasche und dem Schleifchen des Großen Verdienstkreuzes am Revers.
«Und Sie sind Schriftsteller? Wie war doch noch gleich Ihr Name?»
Zu dem sagte Alexander:«Schrecklich, diese Empfänge …»«Aber wieso denn? Ich finde so was ganz nett. Haben Sie den alten Grewe gesehen?»
Wo man in Washington amerikanische Hosenträger kaufen kann, fragte Alexander den Mann nicht. - Nur gut, daß ich schon was für Klößchen habe, dachte er, die silberne Rasierklinge wird ihr Freude machen. Den Jüngling hätte er danach fragen sollen, aber das war nun zu spät.
Alexander ging hinaus und bat, daß man ihn ins Hotel fahre. Aber es war kein Taxi zu kriegen, und es war auch kein Wagen der Botschaft frei. So mußte er denn unter den Säulen stehen und warten, und es regnete. Das sei typisch für Washington, wurde gesagt. Aber das nützte ihm ja auch nichts. Schließlich trat ein Sekretär der Botschaft auf ihn zu. Ob er Herr Sowjetscheck sei? - Alexander dachte schon: Aha, nun geht’s los, nun haben sie gemerkt, daß das nicht geht,«Deutsche Wochen»und den Dichter des Buches«Hetzjagd in Andante»nicht begrüßt.
Ja, allerdings, er sei Sowtschick, Alexander mit Vornamen. Schön, sagte der Botschaftssekretär: Er hat hier eine Eilsendung aus New Haven, ob der Herr Sowjetscheck ihm das mal eben quittiert?
Es war die Krawatte, die Jennifer ihm in New York geschenkt hatte, in Yale hatte man sie im Papierkorb entdeckt.
Im Hotel klingelte er Marianne an, und sie war auch tatsächlich da und freute sich, daß man auch ihn zu dem Empfang gebeten habe.«Was du alles erlebst!»sagte sie.
Und dann berichtete sie, daß der Pastor dagewesen sei, ein wunderbarer Mann, zum Heulen nett! Im Bördewald sei ein Zeltlager für dänische Wandervögel geplant - eigentlich schon ein bißchen kalt fürs Übernachten im Freien, aber für die Jugend natürlich wunderschön. Begegnungen mit deutschen Wandervögeln, daß nie wieder Unrecht ausgeht von deutschem Boden und so
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