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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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vorne hin ein Zögerer und Zauderer, hintenrum aber gemeinsame Sache mit General Olbricht machen, Tarnat begriff, dass er seinen Vorgesetzten so wenig wie irgendwer gekannt hatte. Da legte der Chef der Kripo sich doch in aller Seelenruhe ein Archiv zu Hause an, in dem er Beweismaterial gegen Himmler und alle anderen hohen SS Funktionäre sammelte, und arbeitete tagsüber mit ihnen zusammen! Ein starkes Stück, gemeinsame Sache mit Stauffenberg zu machen und gleichzeitig mit Himmler zu frühstücken! Ob Nebe schizophren war? Gab es überhaupt auch nur einen einzigen SS Mann da oben, der normal war? Tarnat wich den Blicken so gut er konnte aus.
    Die meisten Offiziere blieben stehen, nachdem sie von den drei Ermittlern gegrüßt worden waren, doch kaum einer erwiderte den Gruß, und es gab viele, die sich ihnen in den Weg stellten und sie höhnisch anstarrten.
    Auch Gruppenführer Schmitt Klevenow, Pohls Mann für rechtliche Fragen, versperrte Schmelz den Weg, beließ es aber nicht bei einem stummen Bedrohen. Er brüllte aus Leibeskräfte, so dass es noch im letzten Winkel des Gerichtspräsidiums zu hören war: „Mann, Sie haben vielleicht Nerven! Volksverräter! Elender Lump!“
    „Gleichfalls“, erwiderte Schmelz gelassen und so leise, dass es nur der Gruppenführer selbst verstehen konnte.
    „Was?“, schrie Schmitt Klevenow auf: „Was haben Sie zu mir gesagt, Hauptsturmführer?“
    „Dass Sie ein Lump sind“, flüsterte Schmelz lächelnd: „Und zwar ein elender!“
    Und noch bevor der perplexe Schmitt Klevenow reagieren konnte, fügte Schmelz laut und vernehmlich hinzu, er habe gesagt, er hoffe, der Gruppenführer behalte seine Uniform noch lange und er falle am Ende nicht etwa über diese elende Warschausache, er wisse doch, was gemeint sei; Stichwort: von Sauerzweig.
    Fast hätte Schmelz den ganzen Fakt ausgeplaudert, der ihm ja wie so viele andere bekannt war: Eines der wenigen Hauptwirtschaftslager der SS befand sich in Warschau, dessen Chef ein gewisser von Sauerzweig war, der systematisch mit seinem Stab sämtliche Einwohner ausraubte. Beschlagnahmtes Gut wurde sofort auf Lkw verladen und verkauft. Den Erlös behielt von Sauerzweig, und zwei Lkw pro Kolonne gingen an Pohl direkt, die anderen an seine vielen Privatfirmen. Beweis war ein riesiges Ölgemälde, das eine berühmte polnische Schlacht darstellte, die von Sauerzweig Pohl mit einem Begleitbrief geschickt hatte, der eine nette Umschreibung für Korruption aufzeigte: ‚Das habe ich sichergestellt, stellen Sie es auch sicher. Sie sind meine vorgesetzte Behoerde, ich liefere es bei Ihnen ab.‘ Und genau dieses Bild war ja auch sichergestellt worden. Es hing in Pohls Schloss. Im Speisesaal. Zwischen zwei Südfenstern. Laut Aussage von Obergruppenführer Erbprinz von Waldeck Pymont, nein, was für ein Schlag wäre das doch, wenn Schmelz diese Tatsache hier einfach mal so auf dem Flur fallen lassen würde! Lust hatte er ja schon, jedoch riss er sich zusammen und ging schweigend weiter.
    Er ließ den verdutzten Gruppenführer stehen, der einen Augenblick brauchte, sich zu besinnen, dann aber hinter ihm her schrie: „Das wird Ihnen alles noch sehr, sehr leid tun! Nestbeschmutzer! Übelste Sorte! Kleine, mickrige Kanalratte!“
    Schmelz blieb abrupt stehen, drehte sich um, streckte den Arm aus und richtete den Zeigefinger auf Schmitt Klevenow. Sofort wurde es still im Flur. Die hohen SS Offiziere sahen erwartungsvoll zum Hauptsturmführer Schmelz.
    Eine knappe Minute zeigte Schmelz auf den Gruppenführer, ohne einen Laut von sich zu geben. Dann drehte er sich um, ließ Pohls Vasallen endgültig hinter sich zurück und ging zum Hauptverhandlungssaal.
    Die Anwesenden wandten sich von Schmitt Klevenow ab und fragten sich flüsternd, was wohl der Hinweis auf von Sauerzweig zu bedeuten haben könne, und Sauckel stellte leise fest, Schmitt Klevenow wirke plötzlich angeschlagen, was in der Runde mit Kopfnicken quittiert wurde.
    Schmelz’ Ermittlungen hatten in allen Oberabschnitten und Wehrkreisen Wellen geschlagen, und aus allen Teilen des Reichs waren die obersten Herren selbst oder deren engste Vertraute als Prozessbeobachter gekommen. Die meisten dieser Männer, welche die Führungsschicht darstellten, kannten sich von Schulungen und Parteikonferenzen, hatten sich jedoch lange nicht gesehen. Sie standen in Grüppchen zusammen, warteten auf den Beginn des Geheimprozesses und verstanden noch immer nicht, wie es hatte kommen können, dass einer der Ihren

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