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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Warschau, Hermann Florstedt, Lager Lublin und Karl Otto Koch, Lager Buchenwald. Zum Tode verurteilt wurden Florstedt und Koch. Und diese Urteile wurden auch vollstreckt. Eigenhändig wurde das gegen Koch noch im April fünfundvierzig vom Erbprinzen zu Waldeck Pymont vollstreckt.
    Höchstpersönlich.
    Er hatte Koch im Lager Buchenwald am Tag vor dem Einmarsch der Alliierten noch erschossen. Auch er war zum Mörder geworden, im Glauben an seine Waffen SS Uniform vielleicht, dachte Schmelz, so werden Menschen, wenn die Gewaltentrennung von Politik und Justiz aufgehoben wird, genau so werden sie. – Und so zog es sich immer weiter hin, Tat um Tat, Jeder bestrebt, das Seinige zu tun. – Einzelfälle sehen ja wohl anders aus. – Ha, oh ja, Himmler wollte die SS als Elite, und er hat eine Elite geformt, eine Elite der kaltblütig Tötenden. Kein Waffen SS Mann, der nicht zum Töten bereit gewesen wäre oder getötet hat, dachte Doktor Kurt Schmelz: Wie ich es ja auch selbst getan habe, obwohl ich ein Moralist gewesen bin. Aber was bedeutet das schon groß? Ein Moralist ist ja doch immer im Nachteil, weil er fest überzeugt ist, das Richtige zu tun, aber ob es wirklich immer das Richtige ist, das weiß er nicht. Er hat lediglich seine kindliche Überzeugung, die eine soldatische ist. Moralisten sind Offiziere.
    Nicht einmal aus Notwehr hatte er ja getötet, einfach aus kalter Berechnung heraus. Und so vielfältig die Mitglieder der Organisation waren, so vielfältig waren auch die Motive für ihre Verbrechen.
    Was wurde damals nicht alles auf erobertem Gebiet vergewaltigt, misshandelt und verscharrt, was wurde nicht alles gestohlen und verbrannt, was wurde da nicht alles gelogen und verheimlicht, das waren doch keine Einzelfälle.
    Auch wenn der Einzelne allein gehandelt habe, so habe er sich auf Befehle stützen können, und selbst er, Doktor Kurt Schmelz, unbestechlich, loyal dem Gesetz gegenüber, integerster unter den Richtern, Zeuge in den Nürnberger Prozessen, zuerst für die Verteidigung, dann für die Anklage, selbst er sei ein Mörder, gestand er sich ein. Ein Mörder, der niemals gesühnt habe. Bis jetzt.
    Er sei ein Mann, dem niemand an seinem großen Tag die Mordtat angesehen habe, so sehr habe er Anfang Dezember vierundvierzig beim Geheimprozess gegen Koch vor Genugtuung gestrahlt.
    Doch was war nicht alles in der Zeitspanne zwischen Ostern und Nikolaus vierundvierzig geschehen! In der Nacht vom fünften zum sechsten Juni strahlte die BBC drei Gedichtzeilen von Paul Verlaine aus. Und nach einer kleinen Pause noch drei weitere Zeilen, und das war das Signal zur Invasion Overlord. Die Alliierten landeten in der Normandie und errichteten eine zweite Front, die Rote Armee war entlastet und konnte noch schneller auf Deutschland zumarschieren. Sofort begann sie mit einer Offensive auf die Heeresgruppe Mitte, die unter dem sowjetischen Druck und den Fehlentscheidungen des Anführers der Deutschen nach wenigen Tagen zusammenbrach.
    Und auch die Japaner, die in diesem Monat die amerikanische Trägerflotte vernichtend schlagen wollten, kamen mit ihren Flugzeugen nicht einmal bis an die Fregatten und Zerstörer heran. Dreihundertsechzig Flugzeuge wurden abgeschossen, und in Deutschland hieß dieser Monat nur noch der schwarze Juni, obwohl die ersten Einsätze der Wunderwaffe V eins die Moral aufbauen sollten. Sie taten es nicht, denn der Schock der Briten, ihre Hauptstadt werde zerbombt, war nur kurz, und schnell fanden sie heraus, wie sie die V eins durch Jagdflieger oder Fesselballons vor der Detonation abschießen konnten. Viel zu schnell.
    Und der Juli vierundvierzig? Die Rote Armee nahm sich der Heeresgruppen Nord und Südukraine an und befand sich wenig später schon vor Warschau. Und auf dem Balkan fügten die Partisanen den Deutschen erhebliche Schäden zu. In Italien kamen die Alliierten bis Florenz. Der Seekrieg beschränkte sich für die Wehrmacht nur noch auf den Kampf mit U Booten, von denen sie alleine im Juli einhunderteinundsechzig verlor, und in Frankreich wurde die Wehrmacht Tag für Tag zurückgedrängt.
    Und mitten im Zentrum des deutschen Reiches ein Attentat auf den Anführer der Deutschen von höchstgestellten Persönlichkeiten der Wehrmacht und der Waffen SS. Es misslang, aber die Anführer der Deutschen sollten fortan in Angst vor den eigenen Leuten leben.
    Im August vierundvierzig überschritt die Rote Armee die Weichsel, die Türken brachen die Beziehungen zu Deutschland ab, die Alliierten

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