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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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gegen Pohl, aber keiner will’s gewesen sein. – Dann werden unsere Ermittlungen einen Scherbenhaufen hinterlassen.“
    „So ungefähr. Das alles soll uns aber nicht kümmern! Wir haben Korruption auszurotten, egal, wo wir sie finden. Dafür haben wir die nötigen Freibriefe“, sagte Schmelz: „Und ich will, solange das möglich ist, dem Gesetz zu seinem Recht verhelfen. Wenn Koch unterschlagen hat, dann werden wir es beweisen, meine Herren, haben wir uns verstanden? Alles andere ist Politik, und Politik hat uns nicht zu kümmern! Wir sind Beamte.“
    „Vollkommen verstanden“, sagte Tarnat: „Wo soll ich mein Testament deponieren?“
    „Scherzkeks!“, sagte Liebig, doch lachen konnte er nicht.
    Ehe Schmelz sich von seinen Untergebenen verabschiedete, um in seinem Zimmer noch einige Akten durchzugehen, sagte er ihnen, dass sie morgen, zehnter Juni dreiundvierzig, um Punkt acht Uhr mit der Arbeit beginnen werden. Treffpunkt Hotelrezeption.
    Tarnat nickte, warf die Kippe auf das neuen Kopfsteinpflaster und trat sie aus, während Liebig versuchte, sein wie wild rasendes Herz zu beruhigen, dessen harter Rhythmus ihm in den Schläfen wieder die Migräne ins Bewusstsein hämmerte. Er müsse schnell in ein abgedunkeltes, stilles Zimmer, denn gleich, wusste er, werde die Krankheit sein Bewusstsein ganz beherrschen und ihn vorübergehend lahmlegen.
VII
    „Na, Heinze, Sie strahlen ja so!“, begrüßte Schmelz am nächsten Morgen seinen Fahrer: „Ach, befördert?“
    „Jawohl, Obersturmführer, zum Obersturmmann! Wegen Tapferkeit!“, sagte der junge Heinze und riss die rechte, hintere Tür des BMW auf. Er wartete, bis Kurt Schmelz eingestiegen war, ging um den Wagen herum und schloss die linke Tür, an der sich Tarnat vorbei auf den Sitz gezwängt hatte, während Liebig, der auf dem Beifahrersitz saß, die Wagentür selbst zuzog.
    „Wegen Tapferkeit, Obersturmmann Heinze?“, fragte Schmelz amüsiert: „Welche Tapferkeit?“
    „Ja, konnte vier Insassen auf der Flucht erschießen. War ihnen ganz allein hinterher!“, sagte der Junge, während das Lächeln auf Schmelz’ Gesicht versteinerte.
    „Gratuliere!“, sagte der Obersturmführer leise und befahl, nach Buchenwald zu fahren: „Den Weg kennen Sie ja.“
    Während der Fahrt überflogen die drei Männer noch einmal die wenigen Akten, die ihnen vorlagen. Sie waren Schmelz von Waldeck Pymont übergeben worden, doch mehr als Hinweise und Andeutungen seien im Grunde nicht drin, meinte Tarnat, der einen Seitenblick auf Schmelz warf. Der Obersturmführer sah aus dem Fenster, minutenlang, ohne zu blinzeln. Tarnat räusperte sich und tauschte die Akten mit Liebig aus, aber auch in diesen fand er nichts Handfestes gegen Karl Koch, den Erbauer des Konzentrationslagers Buchenwald, der jetzt gerade ein neues Lager irgendwo im Osten errichtete. Lublin, dachte Tarnat, nie gehört. Er schlug die schmalen Akten zu und ließ sie auf seinen Knien liegen.
    „Ich sehe, dass ich nichts sehe“, sagte er und hörte lediglich den Fahrer auflachen.
    Übermütig fuhr Heinze an diesem Morgen die Landstraße entlang, obwohl sie sehr kurvenreich war. Doch es war wenig Verkehr, und Heinze war sich sicher, dass diese Straße kein Angriffsziel für feindliche Tiefflieger sei. Er war nun schon zwei Jahre hier, hatte an dienstfreien Tagen oft unten im Dorf sein Bier getrunken, aber von niemandem hatte er je gehört, dass der Ettersberg von Fliegern heimgesucht worden sei. Unbekümmert reizte er die Geschwindigkeitsbegrenzung aus und musste den neuen BMW, den er gestern schon zur Probe gefahren hatte, hart abbremsen, um nicht den unscheinbaren Waldweg zu verfehlen, der von dieser Hauptstraße aus nach Buchenwald führte. Lediglich ein kleines Holzschild an einem dicken Baumstamm, auf das der Name geschrieben worden war, zeigte an, dass es hier nach Buchenwald abging. Wie oft hatte Heinze nicht schon gehört, dass neue Waffen SS schlichtweg daran vorbeigefahren war! Sie hätten eben mit dem Zug kommen sollen, lautete ein alter, schwarzer Witz der Wachmannschaft, über den Heinze immer wieder lachen konnte.
    Er bog in den Weg ein und blieb lieber im zweiten Gang, um den Chef auf diesem Waldweg nicht zu sehr durchzurütteln. Er war ihm dankbar, und er brannte darauf, es dem Obersturmführer zu zeigen. Bis in den Tod, Heinze meinte, er werde Kurt Schmelz treu bis in den Tod sein. Wie der mit dem Standartenführer Pister umsprang, obwohl der doch höhergestellt war, nein, Schmelz war ein Mann

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