Letzter Akt in Palmyra
nicht gegangen, als er mich zum Narren machte und mit meinem eigenen Messer in einen beinahe tödlichen »Unfall« verwickelte. Er war hellwach, beherrscht, aufgekratzt, gefährlich gewesen. Und ich hatte das Offensichtliche übersehen.
Grumio hatte zwei Vorstellungen auf der Tonne gegeben. Zwischendurch war er zu den Wasserbecken geritten und hatte das Mädchen umgebracht.
Hatte er allein gehandelt? Und hatte er auch Heliodorus ermordet? Das war schwer zu sagen. In meinem Kopf drehte sich alles. Manchmal ist es besser, zwanzig Verdächtige zu haben, statt nur zwei. Ich wollte mit Helena reden. Leider saß sie in der Ehrenloge des Kommandeurs fest.
Ich ging zum Eingang der Arena. Grumio war nicht mehr da. Chremes und er waren in die Arena geschlüpft, um von der Seite her auftreten zu können. Sie versteckten sich in einer der Nischen. Davos hockte verborgen auf der Bühne, bereit, als Geist herauszuspringen. Die restlichen Mitspieler hatten auf mich gewartet.
Ribes klimperte immer noch auf seiner Lyra herum. Zum Glück mochten die Syrer diese Art Musik. Ribes war ganz verzückt von seinem eigenen Spiel, und da niemand ihm das Zeichen gegeben hatte, die Ouvertüre zu beenden, improvisierte er, was das Zeug hielt.
Tranio stand am Tor. Ich schlenderte lässig auf ihn zu. »Es wird Sie freuen, zu hören, daß ich Grumios Ring gefunden habe.«
»Seinen Ring?«
»Blauer Stein. Könnte Lapislazuli sein; vielleicht aber auch nur Sodalith …« Er hatte keine Ahnung, wovon ich sprach.
»Hab ich’s mir doch gedacht – auch das war gelogen!« Ich packte Tranio am Ellbogen und zog ihn mit einem Ruck näher.
»Was soll das, Falco?«
»Ich versuche, mir darüber klar zu werden, ob Sie ihm nur aus lauter Dummheit die Treue halten, Tranio – oder ob Sie ein kompletter Idiot sind.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen …«
»Hören Sie doch endlich auf, ihn zu schützen. Glauben Sie mir, er hat genüßlich versucht, den Verdacht auf Sie zu lenken! Was immer Sie glauben, ihm schuldig zu sein – vergessen Sie’s!«
Andere hörten uns zu: Thalia, Musa, viele aus dem Ensemble. Tranios Augen schossen von einem zum anderen.
»Die können uns ruhig hören«, sagte ich. »Wir brauchen Zeugen. Spucken Sie’s aus. Was war das Pfand, das Sie Heliodorus gegeben haben und worüber es dann Streit gab?«
»Falco, ich muß auf die Bühne …« Tranio geriet allmählich in Panik.
»Noch nicht.« Ich griff seinen Kostümkragen und zog ihn eng zu. Er konnte nicht wissen, ob ich wirklich wütend war oder nur so tat. »Ich will die Wahrheit wissen!«
»Ihr Stück, Falco …«
»Zum Hades mit meinem Stück.«
Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, daß mir die Sache entglitt. Doch dann kam von unerwarteter Seite Hilfe. »Das Pfand war eine Schriftrolle.« Philocrates. Er schien wirklich Angst zu haben, daß man ihm die Verbrechen anhängen würde. »Sie gehörte Grumio; seine Sammlung alter Witze.«
»Danke, Philocrates! Na gut, Tranio, jetzt will ich ein paar rasche Antworten hören. Erstens, waren Sie an dem Abend, als Ione starb, wirklich bei Afrania?«
Er gab auf. »Ja.«
»Warum wollten Sie, daß sie das Gegenteil behauptet?«
»Aus Dummheit.«
»Das ist wenigstens ehrlich! Und waren Sie an dem Nachmittag, als Heliodorus in Petra ermordet wurde, bei klarem Bewußtsein oder völlig besoffen?«
»Total hinüber.«
»Was war mit Grumio?«
»Ich dachte, ihm ging’s genauso.«
»Sind Sie sicher, daß dem so war?«
Tranio senkte die Augen. »Nein«, gab er zu. »Ich kippte irgendwann weg. Er hätte alles mögliche tun können.«
Ich ließ ihn los. »Tranio, Tranio, was haben Sie sich bloß dabei gedacht? Warum haben Sie den Mörder gedeckt, wenn Sie unschuldig sind?«
Er zuckte hilflos die Schultern. »Es war mein Fehler. Durch mich hat er seine Schriftrolle verloren.«
Ich würde das nie ganz verstehen. Aber ich war ja auch Autor und kein Schauspieler. Ein Komödiant ist nur so gut wie sein Text. Ein Autor muß sich nie lange grämen, wenn ihm sein Material abhanden gekommen ist. Er kann zum Schaden aller jederzeit Leserschaft und Theaterpublikum mit neuen Ergüssen beglücken.
Tranio war ein hoffnungsloser Fall. Ribes füllte in der Arena die unerwartete Pause mit rasendem Geklimper, doch das Publikum hatte genug, und er verzweifelte langsam, weil er keine Ahnung hatte, warum Tranio nicht auftrat. Rasch faßte ich einen Entschluß. »Wir reden später weiter. Gehen Sie jetzt raus auf die Bühne. Und
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