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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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der Geißbock völlig nutzlos. Außerdem knabberte er am Saum meiner Tunika, trotz seiner Behinderung. Ja, der verbogene Hals schien ihm sogar zu helfen, noch einfacher an die Kleider der Leute heranzukommen. Das letzte, was ich brauchen konnte, war ständiger häuslicher Ärger wegen angeknabberter Hemden und Togen.
    »Wie hieß Ihre denn?« wollte der Besitzer wissen. Er war wirklich verrückt.
    »Was? Ach, meine Ziege. Die hatte keinen Namen. Wenn man zu vertraut miteinander wird, führt das nur zu Kummer auf beiden Seiten.«
    »Das stimmt …« Der Ziegenbesitzer spürte, daß ich seine Probleme verstand. »Dieser heißt Alexander, weil er so groß ist.« Falsch. Er war nur gräßlich.
    »Verkaufen Sie ihn nicht!« drängte ich ihn, weil mir der Gedanke, daß sie sich trennen könnten, plötzlich unerträglich war. Diese beiden Versager schienen stärker voneinander abhängig zu sein, als ihnen klar war. »Wer weiß, wie sein neuer Besitzer ihn behandeln wird. Wenn Sie nach Hause wollen, nehmen Sie ihn mit.«
    »Er wird mir die Bohnen abfressen.« Stimmt. Er würde alles fressen. Ziegen reißen die Pflanzen sogar mit Stumpf und Stiel aus. Nichts, dem sie nahe kommen, wächst je wieder. »Sie kamen mir vor wie jemand, der gut zu ihm sein wird, Falco …«
    »Rechnen Sie nicht damit.«
    »Er kann eigenwillig sein, aber Zuneigung erwidert er immer … Na ja, aber vielleicht haben Sie recht. Er gehört zu mir.« Ich war gerettet. »Schön, daß ich Sie wiedergesehen habe; dadurch ist mir manches klarer geworden.« Ich zog Alexander fast bedauernd an den Ohren. Der Bock, offenbar ein Connaisseur, was Qualität anging, versuchte, meinen Gürtel zu fressen.
    Ich wollte schon gehen, als der Ziegenbesitzer plötzlich fragte: »Hat Ihr Freund an dem Abend in Gerasa eigentlich noch den Weg zu den Wasserbecken gefunden?«

LXX
    »Welcher Freund?« Da wir über Gerasa sprachen, brauchte ich mich nicht zu erkundigen, welche Becken er meinte.
    Ich versuchte, alles leicht klingen zu lassen, gleichzeitig wuchs der innere Druck. Ich hasse Mord. Ich hasse Mörder. Einen beim Namen nennen zu müssen, ist mir zuwider. Doch das würde jetzt sehr bald unvermeidlich sein.
    »Er gehörte zu Ihrer Truppe. Als ich kam, um Ihnen den Ziegenbock anzubieten, fragte ich ihn, wo Sie wären. Er sagte, Sie seien in die Stadt gegangen, und wollte wissen, wie er zu den Maiumabecken käme.«
    »Wie sah der Mann aus?«
    »Da fragen Sie mich zuviel. Er hatte es sehr eilig und raste auf einem Kamel los.«
    »Jung? Alt? Groß? Klein? Sehen Sie ihn hier irgendwo? «
    Der Mann schaute verschreckt. Nicht gewohnt, Menschen zu beschreiben, wollte ihm absolut nichts einfallen. Ihn zu drängen, war zwecklos. Obwohl einer der möglichen Mörder – Tranio – keine zehn Fuß von uns entfernt stand und auf seinen Auftritt wartete. Mein Zeuge war unzuverlässig. Zu viel Zeit war vergangen. Wenn ich ihm jetzt irgendwelche Vorschläge machte, würde er sofort darauf eingehen, nur um seinem Dilemma zu entkommen. Dieser Irre besaß die Antwort auf alles, aber ich würde ihn gehen lassen müssen.
    Ich schwieg. Geduld war meine einzige Hoffnung. Alexander verspeiste heimlich den Ärmel meiner Tunika; als sein Besitzer das sah, knuffte er ihn zwischen die Ohren. Bei dem Schlag auf den Ziegenschädel fiel ihm etwas ein. »Er trug einen Hut!« Das hatte ich doch schon mal gehört?
    Während ich tief durchatmete, beschrieb der Ziegenbesitzer bereitwillig das Exemplar aus Gerasa. »Es war eins von diesen Stickdingern, wo die Spitze nach vorn fällt.«
    Das hatte wenig mit dem breitkrempigen griechischen Hut zu tun, den Musa von Shullay aus Petra geschickt bekommen hatte. Aber ich wußte, wo mir sowas begegnet war. »Eine phrygische Mütze? Wie sie der Sonnengott Mithras trägt?«
    »Genau. Eine von diesen langen, schlabbrigen.«
    Grumios Sammelmütze.
    Dann war also Grumio Iones Mörder. Ich hatte ihm selbst ein Alibi gegeben, weil ich geglaubt hatte, ihn mehrfach am gleichen Ort gesehen zu haben. Nicht im Traum wäre mir eingefallen, daß er zwischendurch vielleicht woandershin galoppiert war.
    Im Nachhinein betrachtet, war meine Überzeugung geradezu lächerlich. Natürlich hatte er zwischendrin Pause gemacht. Er hätte diesen sprühenden Auftritt nicht den ganzen Abend lang durchhalten können. Hätte er ununterbrochen auf der Tonne gestanden, dann wäre er, als Musa und ich vom Tempel des Dionysos zurückkamen, heiser und völlig erschöpft gewesen. So war es ihm aber

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