Letzter Akt in Palmyra
mitbekommen haben«, fuhr Helena fort. »Offenbar eine Theatertruppe. Ich hörte sie sagen, daß der Ertrunkene möglicherweise zu ihnen gehörte, aber ich war so erledigt, daß ich nur vorschlug, sie sollten mit dir sprechen, wenn sie mehr wissen wollten. Schien ein seltsamer Haufen zu sein; ob wir von ihnen hören werden, weiß ich nicht. Der Wachmann schnappte sich ein paar Kollegen und trabte den Berg hinauf, um die Leiche zu betrachten.«
»Ich habe den Toten gesehen«, bestätigte ich.
»Na ja, ich habe alles ihnen überlassen und mich davongemacht.«
Wir saßen auf Teppichen und Kissen. Unser nabatäischer Aufpasser schien kein großer Plauderer zu sein. Helena und ich hatten viel Grund nachzudenken; der offensichtliche Mord auf dem Opferplatz hatte uns beide mitgenommen, und wir wußten, daß wir uns nun in einer heiklen Lage befanden. Ich starrte in meine Schüssel.
»Didius Falco, du hast drei Radieschen, sieben Oliven, zwei Salatblätter und ein Stück Käse bekommen«, listete Helena auf, als würde ich die gerechte Aufteilung unserer Vorräte überprüfen. »Ich habe alles gerecht verteilt, damit es keinen Streit gibt …«
Aus Höflichkeit gegenüber unserem stummen Gast hatte sie diesmal auch Griechisch gesprochen. Ich wechselte zu Latein zurück wie ein halsstarriger Hausherr. »Tja, von dem Ertrunkenen werden wir bestimmt nie mehr hören, aber daß wir jetzt zum Objekt eines unangenehmen politischen Zwischenfalls geworden sind, hast du ja wohl schon erraten.«
»Können wir unseren Wachhund loswerden?« erkundigte sie sich in unserer eigenen Sprache, während sie Musa anmutig zulächelte und ihm den angesengten Teil des flachen peträischen Brotes servierte.
»Ich fürchte nein.« Ich löffelte ihm ein wenig Kichererbsenbrei in die Schüssel.
Musa nahm höflich, aber mit skeptischer Miene, das ihm Angebotene an. Er ließ sich alles aufladen, aß aber nichts. Wahrscheinlich wußte er, daß wir über ihn sprachen, und hatte nach der knappen Instruktion des Bruders vielleicht Angst, mit zwei gefährlichen Kriminellen allein zu sein.
Wir ließen es uns schmecken. Schließlich war ich nicht seine Amme. Wenn Musa wählerisch sein wollte, konnte er von mir aus verhungern. Ich brauchte meine Kräfte.
Ein Klopfen an der Tür ließ uns hochschrecken. Vor uns stand ein Trupp Nabatäer, die nicht wie Lampenölvertreter aussahen; sie waren bewaffnet und entschlossen. Sie plapperten sofort aufgeregt los. Musa war uns zur Schwelle gefolgt; ich merkte, daß ihm gar nicht gefiel, was er da hörte.
»Sie müssen gehen«, erklärte er mir. Seine Überraschung schien echt.
»Petra verlassen?« Erstaunlich, wie diese Leute viele lukrative Geschäfte zustande bekamen, wenn sie jeden, der in ihre Stadt kam, so prompt wieder wegschickten. Aber es hätte schlimmer kommen können. Ich hatte erwartet, daß der Bruder uns festhalten würde – hinter verschlossenen Türen. Ja, ich hatte schon überlegt, wie ich uns durch den Sik schleusen, heimlich unseren Ochsenkarren aus der Karawanserei holen und dann fliehen könnte. »Wir packen!« erbot ich mich eifrig. Helena war aufgesprungen und hatte bereits damit angefangen. »Dann heißt es also Abschied nehmen, Musa.«
»Oh nein«, erwiderte der Priester mit ernstem Gesicht. »Ich soll bei Ihnen bleiben. Wenn Sie Petra verlassen, muß ich mitkommen.«
Ich klopfte ihm auf die Schulter. Wir konnten keine Zeit mit Auseinandersetzungen verschwenden. »Wenn wir die Stadt verlassen sollen, hat irgend jemand bestimmt vergessen, Ihren Auftrag zu ändern.« Dieser Gedankengang beeindruckte ihn nicht. Mich ebenso wenig. Hätte ich in der Haut des Bruders gesteckt, würde ich ebenfalls einen nabatäischen Aufpasser mitschicken, der uns über die Grenze brachte und sicher an Bord eines Schiffes geleitete. »Tja, das ist Ihre Entscheidung.«
Helena war daran gewöhnt, daß ich unterwegs exzentrische Reisegefährten aufgabelte; dieser jedoch schien ihre Toleranzgrenze weit zu überschreiten. Mit wenig überzeugendem Grinsen versuchte ich, sie zu trösten: »Er wird nicht allzuweit mitkommen; seine Berge werden ihm fehlen.«
Helena lächelte matt. »Keine Bange! Ich bin daran gewöhnt, mit Männern fertigzuwerden, auf die ich ohne weiteres verzichten könnte.«
So würdevoll wie möglich ließen wir uns im Eilschritt aus Petra hinauseskortieren. Aus den Schatten der Felsen beobachteten dunkle Gestalten unseren Abzug. Das eine oder andere Kamel erwies uns die Ehre,
Weitere Kostenlose Bücher