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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Karren hielt an, und ich schaute in die seelenvollen Augen eines gereizt wirkenden Ochsen.
    »Das Angebot ist höchst willkommen, Fremder! Wie weit können Sie uns mitnehmen?«
    Der Mann grinste zurück und ging auf die Herausforderung ein. »Zum Beispiel bis Bostra?« Er war kein Nabatäer. Wir hatten Griechisch gesprochen.
    »Bostra steht nicht auf meinem Plan. Wie wär’s, wenn Sie uns bei der Karawanserei absetzen, wo ich meinen Karren untergestellt habe?«
    »Kein Problem«, sagte er mit einem unbeschwerten Lächeln. Sein Tonfall ähnelte dem meinen, dessen war ich mir jetzt sicher.
    »Kommen Sie aus Italien?« fragte ich.
    »Ja.«
    Ich nahm die Mitfahrgelegenheit an.
    Erst als wir auf dem Karren saßen, bemerkte ich, was für eine bunte Gesellschaft uns da aufgelesen hatte. Sie waren zu zehnt, verteilt auf drei Karren, und ein paar mottenzerfressene Kamele. Die meisten wirkten bleich und ängstlich. Unser Fahrer sah die Frage in meinen Augen. »Ich bin Chremes, Schauspieler und Theaterdirektor. Meiner Truppe wurde befohlen, aus Petra zu verschwinden. Wir sahen, wie für Sie die Ausgangssperre aufgehoben wurde und haben uns rasch auf die Beine gemacht, bevor sie es sich anders überlegen konnten.«
    »Hätte jemand darauf bestehen können, daß Sie bleiben?« fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits erraten hatte.
    »Wir haben einen Freund verloren.« Er nickte Helena zu, die er offenbar wiedererkannt hatte. »Ihr seid, glaube ich, das Paar, das ihn gefunden hat. Heliodorus, der den unseligen Unfall auf dem Berggipfel hatte.«
    Damit hatte ich zum ersten Mal den Namen unseres Ertrunkenen gehört.
    Direkt danach hörte ich noch etwas: »Bostra ist vielleicht einen Besuch wert, Marcus«, meinte Helena mit nachdenklicher Stimme.
    Diese junge Dame konnte keinem Geheimnis widerstehen.

XII
    Natürlich fuhren wir nach Bostra. Helena wußte, daß sie mir mit ihrem Vorschlag einen Gefallen tat. Nachdem wir den Ertrunkenen gefunden hatten, war ich von der Begegnung mit seinen Gefährten genauso fasziniert wie sie. Ich wollte mehr über die Truppe wissen – und über ihn. Neugier ist schließlich mein Beruf.
    An jenem ersten Abend brachte Chremes uns zu der Karawanserei, wo wir unseren Ochsen abholten, dieses traurige Vieh, das ich in Gaza erworben hatte, und dazu unser windiges Klappergestell von Mietwagen. Die Nacht war eigentlich zu dunkel, um weiterzufahren, aber wir waren alle ganz versessen darauf, möglichst schnell viel Abstand zwischen uns und Petra zu bringen. Zu unserer Sicherheit und Beruhigung fuhren wir im Konvoi und teilten uns die Fackeln. Wir hatten offenbar alle das Gefühl, zufällige Begegnungen in der Wüste seien mit Vorsicht zu genießen.
    Nachdem wir das Lager aufgeschlagen hatten, fragte ich den Schauspieldirektor aus. »Sind Sie sicher, daß der Mann, den Helena und ich entdeckt haben, Ihr Freund war?«
    »Alles entspricht Ihrer Beschreibung – die gleiche Statur, die gleiche Hautfarbe. Die gleichen Trinkgewohnheiten!« fügte er bitter hinzu.
    »Warum haben Sie sich dann nicht gemeldet und die Leiche eingefordert?« warf ich ihm vor.
    »Wir hatten schon genug Schwierigkeiten!« Chremes zwinkerte mir verschwörerisch zu.
    Das verstand ich. Aber die Situation weckte trotzdem mein Interesse.
    Wir hatten Zelte aus schwarzen Ziegenhaardecken gebaut, die über rohe Holzrahmen gelegt waren und saßen nun im Feuerschein vor diesen Unterkünften. Die meisten der Theaterleute hatten sich, bedrückt über Heliodorus’ Tod, an einer Seite des Feuers zusammengekauert. Chremes kam zu Helena und mir herüber, während Musa etwas abseits in seiner eigenen Welt hockte. Die Arme um die Knie geschlungen, sah ich mir den Leiter der Theatertruppe zum ersten Mal genauer an.
    Er war, genau wie der Tote, breit gebaut und hatte ein volles Gesicht. Interessanter allerdings, mit einem festen Kinn und einer dramatischen Nase, die einem republikanischen General gut zu Gesicht gestanden hätte. Selbst im normalen Gespräch hatte er eine kräftige Stimme mit so viel Resonanz, daß es fast ein wenig übertrieben wirkte. Seine Sätze kamen mit einer gewissen Forschheit. Er hatte sich mit einer bestimmten Absicht zu uns gesetzt, keine Frage. Er wollte Helena und mich einschätzen; und vielleicht noch mehr als das.
    »Woher kommen Sie?« erkundigte sich Helena. Geschickt wie ein Taschendieb, konnte sie anderen Informationen aus der Nase ziehen.
    »Die meisten von uns stammen aus Süditalien. Ich selbst komme aus

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