Letzter Akt in Palmyra
verächtlich hinter uns herzuspucken.
Einmal hielten wir plötzlich an. Musa redete beinahe ärgerlich auf unsere bewaffnete Eskorte ein. Sie warteten nicht gern, aber er rannte rasch in ein Haus und kam mit einer schmalen Gepäckrolle wieder heraus. Wohl mit nabatäischer Unterwäsche und Zahnstochern ausgerüstet, wurden wir weitergescheucht.
Inzwischen war es Nacht geworden, und unsere Reise fand bei Fackelschein statt. Bleiche Flammen flackerten unheimlich über die geschmückten Fundamente der Felsengräber und warfen lange Schatten die Sandsteinfassaden hinauf. Säulen und Ziergiebel tauchten auf und verschwanden. Türöffnungen mit gewaltigen Quadern als Schlußstein wirkten bedrohlich wie mysteriöse dunkle Höhleneingänge. Wir waren zu Fuß. Die Nabatäer trugen unser Gepäck quer durch die Stadt, aber als wir die schmale Schlucht durch die Berge erreichten, wurde klar, daß wir von hier an allein weitergehen sollten – so gut wie allein. Musa hatte offensichtlich vor, nicht von unserer Seite zu weichen. Um die Außenwelt zu erreichen, mußte ich mich mit unserem Gepäck abschleppen, während Helena uns mit einer Fackel leuchtete. Wie sie da so unzweifelhaft wütend vor uns hertappte, glich sie einer schauerlichen Sybille, die uns durch einen Spalt in den Hades hinunterführte.
»Was ein Glück, daß ich mein Erbteil nicht für Seidenballen und Dufttiegel ausgegeben habe!« murmelte Helena, laut genug, daß auch Musa es mitkriegte. Ich wußte, daß sie sich auf den mit Sicherheit konkurrenzlos günstigen Einkauf von Luxusgütern gefreut hatte. Wenn ihre Mutter so gründlich war wie meine, hatte sie ihr bestimmt eine drei Rollen lange Einkaufsliste mitgegeben.
»Ich kauf dir ein Paar indische Perlenohrringe«, versuchte ich, ihrem vornehmen Rücken anzubieten.
»Oh, tausend Dank! Das wird meine Enttäuschung mehr als wettmachen …« Helena wußte, daß diese Perlen wahrscheinlich nie ihre Ohren schmücken würden.
Wir stolperten den steinigen Pfad zwischen Felswänden hinunter, die nun über unseren Köpfen in der Finsternis zusammenzustoßen schienen. Wenn wir stehenblieben, unterbrachen nur herabpolternde Steine die Stille des Sik. Wir gingen weiter.
Inzwischen erfüllte mich leise Verzweiflung. Ich erfülle die mir vom Kaiser gestellten Aufgaben gern prompt, aber selbst für meinen bescheidenen Standard war ein einziger Tag in Petra keine gute Ausgangsbasis, um Seine Hochwohlgeboren über die üblichen wichtigen Dinge zu informieren (Topographie, Verteidigungsanlagen, Wirtschaftslage, Gesellschaftsstruktur, politische Stabilität und Gesinnung der Bevölkerung). Ich konnte ihm gerade mal den Preis für Radieschen mitteilen – eine Information, die Vespasian vermutlich bereits aus anderen Quellen hatte und einem Kriegsrat bei der Entscheidung, ob Invasion oder nicht, keine sonderliche Hilfe war.
Ohne harte Fakten waren meine Aussichten auf Entlohnung durch den Palast äußerst gering. Wenn Anacrites mich hierhergeschickt hatte in der Hoffnung, meine Reise würde tödlich verlaufen, konnte ich davon ausgehen, daß er sowieso keine große Summe beantragt hatte. Vermutlich erwartete keiner, mein fröhliches Grinsen am Zahlschalter wiederzusehen. Ich stand also – nicht zum ersten Mal am Rande des Bankrotts.
Helena, die ihre Besonnenheit beim etwas schwierigen Umgang mit der wild züngelnden Fackel wiederfand, hatte wenig zu unserer Situation zu sagen. Sie besaß Geld. Sie würde, wenn ich das zuließ, unsere Heimreise finanzieren. Und ich würde mich wohl darauf einlassen müssen, wenn es die einzige Möglichkeit war, Helena Unbequemlichkeiten zu ersparen. Meinen Stolz zu schlucken, würde mich ungeduldig machen, also hielt sie sich klugerweise zurück und fragte nicht, welche Pläne ich jetzt hatte. Vielleicht konnte ich uns aus diesem Schlamassel herausbringen. Wahrscheinlich war es nicht.
Wahrscheinlicher war, wie Helena aus Erfahrung wußte, daß ich keinerlei Pläne hatte.
Das hier war weder das schlimmste Desaster unseres Lebens noch mein schlimmster Fehlschlag. Aber ich war außerordentlich wütend darüber und in gefährlicher Stimmung. Als daher eine kleine Gruppe von Kamelen und Ochsenkarren hinter uns durch die Schlucht rumpelte, war meine erste Reaktion, sie zu zwingen, langsamer zu fahren und hinter uns zu bleiben. Doch als eine Stimme anbot, uns auf dem Karren mitzunehmen, packte mich eine irrationale Wurschtigkeit. Ich drehte mich um und ließ meine Last fallen. Der erste
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