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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Stimme meinen Namen. Ein Nachtschwärmer mit einem Rest von Gewissen mochte schließlich doch den Vorfall gemeldet haben. Ein Tempeldiener kam auf uns zu. Mir sank das Herz, weil ich Unannehmlichkeiten befürchtete.
    Es war ein ältlicher Mann mit langem gestreiftem Hemd und einem seit Tagen ungestutzten Schnurrbart. In seiner dreckigen Pfote hielt er eine Ölkanne, damit er so tun konnte, als fülle er die Lampen auf. Auf seinen Riemchensandalen war er leise nähergekommen, und ich wußte sofort, daß sein Hauptvergnügen darin bestand, zwischen den Tannen rumzukriechen und Frauen beim Herumtollen auszuspionieren.
    Als er in unseren Kreis geschlurft kam, gingen Musa und ich sofort in Verteidigungsstellung. Er schlug einfach die Stola zurück und weidete sich ausführlich an Iones Anblick. »Schon wieder ein Unfall!« bemerkte er in einem Griechisch, das selbst im Hafen von Piräus nach Gosse geklungen hätte. Musa sagte etwas Barsches auf Arabisch. Die Muttersprache des Kurators war sicher Aramäisch, doch Musas verächtlicher Ton dürfte ihm nicht entgangen sein.
    »Gibt es hier viele Todesfälle?« Meine Stimme klang selbst für mich hochmütig. Ich hätte ein sturer Tribun im auswärtigen Dienst sein können, der den Einheimischen klarmacht, wie sehr er sie verachtet.
    »Zu viel Aufregung!« gackerte der lüsterne alte Wasserfloh. Es war offensichtlich, daß er dachte, hier hätten ein paar gefährliche Sexspielchen stattgefunden, und annahm, Musa und ich, Helena und Byrria hätten daran teilgenommen. Mein arroganter Ton tat mir jetzt nicht mehr leid. Es gibt überall auf dieser Welt Leute, die man einfach nur verachten kann.
    »Und wie ist das weitere Vorgehen?« fragte ich so geduldig wie möglich.
    »Vorgehen?«
    »Was machen wir mit der Leiche?«
    Er klang überrascht. »Wenn das Mädchen mit Ihnen befreundet war, nehmen Sie es mit und begraben es.«
    Ich hätte es mir denken müssen. Die nackte Leiche eines Mädchens an der Stätte eines schamlosen Kultfestes am hintersten Ende des Imperiums zu finden, war etwas anderes, als in den wohlbewachten Stadtteilen Roms darüber zu stolpern.
    Eine Sekunde lang war ich drauf und dran, eine offizielle Ermittlung zu fordern. Ich war so wütend, daß ich tatsächlich die Wache wollte, den örtlichen Magistrat, einen Anschlag am Forum, der Zeugen aufforderte, sich zu melden, unsere eigene Gruppe in Untersuchungshaft, und ein Gerichtsverfahren mit allem Drum und Dran nach halbjährigen Voruntersuchungen … Doch dann gewann die Vernunft.
    Ich nahm den schmierigen Wächter beiseite und drückte ihm soviel Kleingeld in die Hand, wie ich ertragen konnte.
    »Wir nehmen sie mit«, versprach ich. »Sagen Sie mir nur, bitte: Haben Sie gesehen, was passiert ist?«
    »Oh nein!« Er log. Daran gab es überhaupt keinen Zweifel. Und ich wußte, daß ich bei all den Sprach- und kulturellen Barrieren zwischen Rom und diesem schmuddeligen Vergnügungspark nie in der Lage sein würde, ihm die Lügen nachzuweisen. Für einen Moment fühlte ich mich überwältigt. Ich sollte machen, daß ich nach Hause kam, auf mir vertrautes Pflaster. Hier war ich zu nichts nütze.
    Musa stand plötzlich neben mir. Er sprach mit seiner tiefsten, sonorsten Stimme. Es war keine Drohung, nur deutliche, klare Autorität: Dushara, der unerbittliche Berggott, war auf den Plan getreten.
    Sie tauschten ein paar Sätze in Aramäisch, dann verschwand der Mann mit der Ölkanne wieder geistergleich zwischen den Tannen. Er schlich auf den Lärm am anderen Ende des Reservoirs zu. Die Lampen des lustigen Völkchens dort hinten leuchteten hell genug, doch er verfolgte seine eigenen unappetitlichen Absichten.
    Musa und ich standen schweigend da. Die nächtliche Dunkelheit schien tiefer und das Heiligtum damit kälter und noch verkommener zu werden. Der Chor der Frösche klang schriller. Zu meinen Füßen plätscherte das ruhelose Wasser des Reservoirs. Mücken surrten um mein Gesicht.
    »Vielen Dank, mein Freund! Was haben Sie aus ihm herausbekommen?«
    Musa berichtete grimmig: »Er fegt die Blätter und Tannenzapfen weg und soll generell für Ordnung sorgen. Er sagt, Ione kam allein, dann ging ein Mann auf sie zu. Der Idiot konnte den Mann nicht beschreiben. Er hatte nur Augen für das Mädchen.«
    »Wie haben Sie ihn zum Reden gebracht?«
    »Ich sagte, Sie wären sehr wütend und würden Schwierigkeiten machen, und dann würde man ihn für den Unfall verantwortlich machen.«
    »Musa! Von wem haben Sie gelernt, einen

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