Letzter Akt in Palmyra
sah merkwürdig aus – doch ein seltsamer Gesichtsausdruck beweist nichts. Falls er schuldig war, wußte er genau, wie er sich absichern mußte. Wenn eine attraktive Flötistin erklärt, ein Mann habe ihr mit all seinen Göttergaben beigewohnt, ist jedes Gericht geneigt, ihr zu glauben.
Ich blickte Tranio ins Gesicht, wissend, daß diese trotzig blitzenden dunklen Augen die eines Mannes sein konnten, der zweimal gemordet hat und außerdem versucht hatte, Musa zu ertränken. Ein seltsames Gefühl. Er starrte höhnisch zurück, forderte mich geradezu heraus, ihn zu beschuldigen. Aber dazu war ich noch nicht bereit.
Als ich ging, war ich sicher, daß Tranio und Afrania nun übereinander herfallen und streiten würden, wer was zu mir gesagt hatte. Wenn sie die Wahrheit gesagt hätten, gäbe es natürlich nichts zu streiten.
Ich empfand meine morgendlichen Nachforschungen als unbefriedigend. Doch zunächst gab es Dringenderes zu erledigen. Wir mußten Ione ein Begräbnis ausrichten, und ich sollte es arrangieren. Alles, was ich meinen Untersuchungen noch hinzufügen konnte, war ein kurzer Schwatz mit Grumio.
Ich fand Grumio allein im Zelt der Clowns. Er war erschöpft und hatte den gewaltigsten aller Kater. Ich beschloß, ihm die Situation ohne Umschweife klarzumachen. »Ione wurde von einem Mann umgebracht, der ihr nahestand. Mir wurde berichtet, daß Sie und Tranio den regelmäßigsten Kontakt mit ihr hatten.«
»Das mag schon sein.« Trübsinnig machte er keinerlei Anstalten, dem Thema auszuweichen. »Tranio und ich haben ein gutes Verhältnis zu den Musikerinnen.«
»Irgendwelche intensiven Beziehungen?«
»Ehrlich gesagt«, gestand er, »nein!«
»Ich versuche nachzuvollziehen, wo sich jeder gestern abend aufgehalten hat. Bei Ihnen ist das natürlich ganz einfach. Ich weiß, daß Sie die Menge unterhalten haben. Den ganzen Abend lang?« Es war eine Routinefrage. Er nickte. Da ich ihn selbst zwei- bis dreimal auf der Tonne hatte stehen sehen, gab es dazu nichts weiter zu sagen. »Tranio behauptet, bei Afrania gewesen zu sein. War seine Freundschaft mit Ione ähnlich?«
»Ja.«
»Was Besonderes?«
»Nein. Er schlief bloß mit ihr.« Helena würde sagen, daß sei etwas Besonderes. Falsch; ich sah meine Liebste in einem romantischen Licht. Helena war verheiratet gewesen und deshalb mit den Tatsachen des Lebens vertraut.
»Wenn er nicht mit Afrania schlief?« fragte ich mürrisch.
»Oder wenn Ione nicht mit jemand anderem schlief.« Grumio schien über seinen Partner beunruhigt. Ich konnte es ihm nachfühlen. Er mußte das Zelt mit Tranio teilen. Bevor er das nächste Mal einen über den Durst trank, mußte er wissen, ob Tranio seinen Kopf in den Wassereimer stecken würde. »Ist Tranio aus dem Schneider? Was sagt Afrania?«
»Oh, die bestätigt Tranios Aussage.«
»Und wo stehen Sie jetzt, Falco?«
»Wieder ganz am Anfang, Grumio!«
Mit Hilfe von Musas nabatäischen Kollegen verbrachten wir den Rest des Tages damit, eine kurzfristige Beerdigung zu organisieren. Im Gegensatz zu Heliodorus in Petra, wurde Ione wenigstens von Freunden betrauert, geehrt und zu den Göttern geschickt. Die Angelegenheit wurde prächtiger, als man hätte erwarten können. Der Trauerzug konnte sich sehen lassen. Selbst Fremde spendeten für ein Monument. Kollegen aus dem Unterhaltungsgewerbe hatten von ihrem Tod gehört, wenn auch nicht von den näheren Umständen. Die kannten nur Musa, ich und der Mörder. Es hieß, sie sei ertrunken; die meisten dachten, es hätte sie in flagranti erwischt. Ione hätte das sicher nichts ausgemacht.
Natürlich wurde am Abend Das Schiedsgericht aufgeführt wie geplant. Chremes kam uns mit der alten Lüge »Sie hätte gewollt, daß wir weitermachen …« Ich hatte das Mädchen kaum gekannt, aber Ione hätte sich bestimmt nichts mehr gewünscht, als am Leben zu sein. Chremes konnte jedoch sicher sein, daß es knallvoll werden würde. Der Planschbeckenspanner in dem dreckigen Hemd hatte bestimmt dafür gesorgt, daß die schlüpfrigen Einzelheiten unters Volk kamen.
Chremes behielt recht. Ein plötzlicher Tod war die beste Reklame – eine Tatsache, die ich persönlich schlecht für meine Moral fand.
Am nächsten Tag zogen wir weiter. Wir durchquerten die Stadt vor Tagesanbruch, wieder in Richtung der heiligen Becken, und verließen sie durch das Nordtor. Am Tempel der Nemesis bedankten wir uns noch einmal bei den Priestern, die Ione ihre letzte Ruhestätte gegeben hatten, und bezahlten,
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