Letzter Akt in Palmyra
zum Totlachen.
Musa, schweigsam wie immer, schaute verwirrt – doch nicht halb so verwirrt, wie er schaute, als Helena ihm erklärte, er werde als Teichrohrsänger auftreten.
Welche Rolle hatte man mir also zugedacht? Die des Schmutzfinken, wie konnte es auch anders sein.
Bei unserer Aufführung wurden die Rollen der beiden Männer, die aus Abscheu über die Prozeßwut, den Hader und die schweren Geldbußen Athen den Rücken gekehrt hatten, von dem schönen Philocrates und dem zugeknöpften Davos gespielt. Natürlich hatte sich Philocrates die größere Rolle geschnappt, mit viel mehr Text, während Davos den Stichwortgeber übernahm, der die obszönen, einzeiligen Erwiderungen einwirft. Sein Text war kürzer, aber auch bissiger.
Tranio spielte Herkules. Darüber hinaus stellten Grumio und er die lange Folge unwillkommener Besucher im Wolkenkuckucksheim dar, die alle schmählich davongejagt werden. Phrygia hatte eine schreiend komische Minirolle als ältliche Iris, deren Blitzstrahlen nicht zünden wollen, während Byrria als die schöne Frau des Wiedehopfs und als »Göttin der Herrschaft« auftrat (eine symbolische Rolle, interessanter gemacht durch die spärliche Bekleidung). Chremes war der Leiter des Chors der berühmten vierundzwanzig namentlich erwähnten Vögel. Dazu gehörten Congrio als Eule, Musa als Teichrohrsänger und Helena, verkleidet als das niedlichste Tauchentchen, das je über eine Bühne gehüpft ist. Ich wußte nicht, wie ich ihrem vornehmen Vater und ihrer mißbilligenden Mutter beibringen sollte, daß ihre elegante Tochter mit dem Jahrhunderte zurückreichenden Stammbaum vor einer Bande ungehobelter Skythopolitaner als Tauchentchen aufgetreten war …
Zumindest hatte ich jetzt immer genug Material zur Hand, um Helena zu erpressen.
Meine Rolle war ungeheuer langweilig. Ich spielte den Privatermittler, in diesem Stück der »Denunziant« genannt. In dieser ansonsten so geistreichen Satire folgt meine Figur nach dem gräßlichen Dichter, der falschen Wahrsagerin, dem rebellischen Jüngling und dem verschrobenen Philosophen. Nachdem sie alle zum Wolkenkuckucksheim gekommen und von den Athenern wieder zurückgeschickt worden sind, versucht ein Denunziant sein Glück. Genau wie ich, hat auch er – zum Entzücken des Publikums – wenig Erfolg. Er zettelt Gerichtsverfahren mit zweifelhafter Beweislage an und wünscht sich Flügel, um besser in Griechenland rumkommen und Vorladungen abliefern zu können. Wäre irgend jemand bereit gewesen, mir zuzuhören, hätte ich erzählen können, daß das Leben eines Ermittlers wegen seiner langweiligen Tätigkeit absolut respektabel und ein lukrativer Gerichtsfall mindestens ebenso selten ist wie ein Smaragd im Magen einer Gans. Aber die Truppe war es gewohnt, meinen Beruf (über den sich in vielen Dramen lustig gemacht wird) zu verunglimpfen, also ergriffen sie begeistert die Gelegenheit, ein lebendiges Opfer mit Beleidigungen zu überschütten. Ich hatte angeboten, statt dessen das Opferschwein zu spielen, was aber abgelehnt wurde. Daß der Ermittler in dem Stück seine Flügel nicht bekommt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
Chremes meinte, ich könne die Rolle ohne weiteres spielen, obwohl es eine Sprechrolle war. Er behauptete, ich könne auch ohne Anleitung gut reden. Am Ende der Probe war ich es herzlich leid, daß mir alle zubrüllten: »Ach, seien Sie einfach Sie selbst, Falco!« und das schrecklich witzig fanden. Und der Augenblick, als Philocrates mich von der Bühne peitschen mußte, war erniedrigend. Er genoß das Auspeitschen regelrecht. Ich schwor ihm düstere Rache.
Die anderen genossen das Spektakel. Offenbar wußte Chremes doch, was er tat. Auch wenn wir uns ständig über seine Entscheidung beschwert hatten, hob sich die Stimmung. Der ersten Aufführung folgten weitere. Die Truppe war ruhiger und auch reicher, als wir schließlich das Jordantal hinauf nach Gadara zogen.
XXXIX
Gadara bezeichnete sich selbst als das Athen des Ostens. Aus diesem östlichen Außenposten stammten der zynische Satiriker Menipos, der Philosoph und Dichter Philodemos, der in Italien Vergil zum Schüler hatte, und Meleager, der Verfasser elegischer Epigramme. Helena hatte Meleagers Anthologie Die Girlande gelesen, also klärte sie mich vor unserer Ankunft auf.
»Seine Themen sind Liebe und Tod …«
»Wie nett.«
»Und er vergleicht jeden Dichter, den er in die Anthologie aufgenommen hat, mit einer Blume.«
Ich sagte ihr, was ich davon hielt, und sie
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