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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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wieder dabei, in Gedanken träumerisch abzuirren, und das Magazin sinken zu lassen. Einmal mehr spürte sie diese befremdliche Unrast ihre Seele aufwühlen und fühlte diese unwiderstehliche Erlebnissucht in ihrem Innern aufsteigen, was durch die sie umgebende Stille noch verstärkt wurde. Und sie bekam nicht mit, dass Friederike sie mit verstohlenen Seitenblicken scharf beobachtete.
    Als unvermerkt die Hausangestellte auftauchte und Herrn Poniatowski meldete, fuhr Geneviève empor. Ihre Tante sah das Blut in die Wangen der jungen Frau schießen und deren Miene sogleich einen Ausdruck entschiedener Abwehr annehmen, so dass sie rasch „Wir lassen bitten!“ sagte, um den zu erwartenden Fluchtversuch ihrer Nichte zu vereiteln. „Bleib nur ja sitzen, my darling, und stell dich nicht so überempfindlich an! Haltung, wenn ich bitten darf; der Polacke bildet sich noch Gott weiß was darauf ein, wenn du vor ihm Reißaus nimmst!“
    Was blieb Geneviève nun schon anderes übrig, als die Contenance zu wahren und sich keine Blöße zu geben; doch der Herzschlag pochte ihr wieder bis an die Kehle. Hastig nahm sie die Illustrierte wieder auf, wie um sich dahinter zu verschanzen. Schon vernahm sie gedämpfte Schritte, und Poniatowski trat in die offene Balkontür, einen großen Strauß lachsfarbener Rosen und ein geschenkverpacktes Schächtelchen in der Hand. Er spielte den Überraschten, Frau La Bruyère hier anzutreffen, und machte einen tiefen Diener, um zu der Genossin zu treten und ihr – mit einem schmatzenden Handkuss – die Blumen zu überreichen. Er hielt ihr das Päckchen hin: „Hier die Papiere von der Bank, Doktor Romboy zur Zufriedenheit alles hat abwickeln können.“ Die Genossin knipste ihm – von Geneviève unbemerkt – mit dem linken Auge zu und nahm das Kistchen an sich.
    Die junge Frau ließ unterdessen den Warschauer in einer Art banger Neugier nicht aus den Augen. Noch war ihr Kopf errötet, was ihr freilich eine gesunde Farbe verlieh, aber mit weißen Fingern hielt sie weiterhin das Revuejournal umklammert. Poniatowski fuhr mit spitzer Zunge über seine Lippen, bevor er einen Schritt auf Geneviève zu tat, und sie mit seinem stahlblauen Blick nötigte, ihm ihre Hand hinzureichen. „Meine Verehrung, gnädige Frau“, sagte er absichtlich bombastisch und drückte ihr, ihre Hand fest umklammert haltend, mit einem leichten Anflug von Ironie in seinem stereotyp festgefrorenen Lächeln seine feuchten Lippen auf die Fingerspitzen.
    Wie vorauszusehen, machte Geneviève nicht den kleinsten Versuch, sich an der nachfolgenden Unterredung, die sich um Transaktionen von Devisen durch die Genossin drehte, zu beteiligen; doch um so amüsanter fand es Friederike, heimlich-unauffällig zu beobachten, wie ihre Nichte scheinbar lässig in der Zeitschrift blätterte, um ihre innere Unruhe zu verdecken, und doch zwischendurch immer mal wieder ein kleines Auge auf den Warschauer riskierte, der seinerseits kurze Seitenblicke auf die junge Frau zurückwarf. Unübersehbar war, dass die Wirkung, die der Blonde auf das schwache Geschlecht ausübte, auch bei Geneviève nicht zu versagen schien. Die Droge brachte die Mauer, die sie um sich herum gegen alle lasziven Anfechtungen aufgebaut hatte, ins Wanken.
    Das zeigte sich auch, als der geschäftliche Teil der Besprechung zwischen der Genossin und Poniatowski beendet war und Geneviève in eine Unterhaltung scheinbar unverfänglicher Natur mit einbezogen wurde. Kaum wollte es ihr gelingen, ihre Kopflosigkeit zu verbergen, wenn der Warschauer sein Augenmerk auf sie richtete und sie seinem Blick nur sekundenlang standzuhalten vermochte. Ihre Augen, deren übergroße dunkle Pupillen bereits beginnende Süchtigkeit verrieten, suchten irrlichternd und flehend zugleich Friedrikes Aufmerksamkeit, in der Erwartung, die Tante würde sie von Boleslaw Poniatowskis Gegenwart befreien.
    Die Hoffnung trog freilich, und die Genossin ließ sich im Laufe des Nachmittags sogar auf den Vorschlag des Warschauers ein, noch am gleichen Abend, nachdem man sich etwas frisch gemacht hätte, die am nächsten Wochenende stattfindende Eröffnungsfete des erneuerten erotisch-magisch-esoterischen Zirkels bei einem kaukasischen Rotwein vorzubereiten. Man hatte freilich gar nichts dagegen, dass Geneviève – zu beidem eingeladen – dankend bat, sie wegen Unpässlichkeit zu entschuldigen. Nachdem die junge Frau gegangen war, regte die Genossin an, an den folgenden Tagen doch gewisse – wenn auch nur

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