Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
Ausspruch, den wir verwenden, wenn wir Jets fliegen. Die kritische Ecke, manche sagen auch: Tote Ecke.«
»Was ist das?«
»Es ist die Differenz zwischen der Strömungsabrißgeschwindigkeit eines Flugzeuges und der Geschwindigkeit, bei der es durch die Turbulenzen beim Annähern der Schallmauer beginnt auseinanderzubrechen. Auf Meereshöhe hat man einen Spielraum von ein paar hundert Meilen die Stunde, aber in fünfzig-, sechzigtausend Fuß Höhe kann Ihre Strömungsabrißgeschwindigkeit bei fünfhundert Knoten die Stunde liegen und die Mach-Turbulenzen bei fünfhundertvierzig. Wenn man nicht innerhalb dieses Vierzig-Knoten-Be-reichs bleibt, ist man in der Toten Ecke und erledigt. Alle Maschinen, die in so großer Höhe fliegen, müssen Autopiloten haben, damit sie innerhalb dieses Bereichs bleiben. Nun, ich will nur soviel sagen: Ich fliege immer so hoch, und ich benutze fast nie den Autopiloten. Vollkommen sicher ist also kein Zustand, an den ich gewöhnt wäre.«
»Also werden Sie mitmachen?«
Doch Percey antwortete nicht sofort. Sie sah ihn einen Augenblick prüfend an. »An der Sache ist doch mehr dran, oder etwa nicht?«
»Mehr?« hatte Rhyme gefragt, aber die Unschuld war nur ein
dünner Film auf seiner Stimme.
»Ich lese den Stadtteil der Times, Ihr Bullen hängt euch normalerweise bei Mord nicht so rein. Was hat Hansen getan? Er hat zwei Soldaten getötet und meinen Mann, aber ihr seid hinter ihm her, als sei er Al Capone.«
»Hansen ist mir scheißegal«, hatte Lincoln Rhyme von seinem motorisierten Thron herunter ganz ruhig gesagt. Sein Körper mochte bewegungslos sein, doch seine Augen loderten wie dunkle Flammen, genau wie die Augen ihres Falken. Sie hatte Rhyme nicht erzählt, daß sie genau wie er einem Jagdvogel niemals einen Namen geben würde, daß sie ihren Falken einfach nur »den Falken« genannt hatte.
Rhyme hatte weiter gesprochen: »Ich will den Tänzer kriegen. Er hat Polizisten getötet, darunter zwei, die für mich gearbeitet haben. Und ich werde ihn kriegen.«
Trotzdem hatte sie gespürt, daß es um mehr ging. Aber sie hatte ihn nicht gedrängt. »Sie werden Brit ebenfalls fragen müssen.« »Natürlich.«
Schließlich hatte sie gesagt: »In Ordnung, ich werde es tun.« »Danke. Ich...« »Aber«, unterbrach sie ihn. »Was?«
»Es gibt eine Bedingung.«
»Und die lautet?« Rhyme hob eine Augenbraue, und Percey hatte es plötzlich wie ein Schlag durchzuckt: Wenn man über seinen behinderten Körper hinwegsah, war er ein überaus gutaussehender Mann. Und, ja, sobald ihr dies klar wurde, war da wieder ihr alter Feind - dieses allzu vertraute Gefühl, in der Gegenwart eines gutaussehenden Mannes zusammenzuschrumpfen. Hey, Trollgesicht, Mopsschnauze, Troll, Trollie, Froschmädchen, haste ein Date für Samstag abend? Wetten, daß nich...
Percey sagte: »Daß ich den Charter für U.S. Medical morgen abend fliege.«
»Also, ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre.«
»Damit steht und fällt unser Deal«, erklärte sie und benutzte damit einen Satz, den sie bei Ron und Ed gelegentlich gehört hatte.
»Warum müssen Sie es sein, die fliegt?«
»Hudson Air braucht diesen Vertrag. Dringend. Es ist ein knapp berechneter Flug, und wir brauchen dafür den besten Piloten der Firma. Das bin ich.«
»Was meinen Sie mit knapp berechnet?«
»Alles ist bis auf den letzten Kilometer geplant. Wir nehmen nur das Minimum an Treibstoff mit. Wegen dieses engen Rahmens kann ich keinen Piloten gebrauchen, der Zeit vergeudet, indem er Runden dreht, weil er den Anflug vermasselt hat oder Ausweichpositionen aushandelt.« Sie hatte eine Pause gemacht und dann hinzugefügt: »Ich werde meine Firma nicht den Bach runter gehen lassen.«
Percey hatte mit derselben Eindringlichkeit gesprochen wie er, trotzdem war sie überrascht gewesen, als er nickte. »In Ordnung«, sagte Rhyme, »ich bin einverstanden.«
»Dann haben wir einen Deal.« Instinktiv beugte sie sich vor, um seine Hand zu schütteln, hielt sich aber gerade noch zurück.
Er hatte gelacht. »Heutzutage halte ich mich einzig und allein an mündliche Abmachungen.« Sie hatten den Scotch getrunken, um ihre Vereinbarung zu besiegeln.
Jetzt, um halb sieben Uhr morgens, lehnte sie den Kopf gegen das Fenster des sicheren Hauses. Es gab so viel zu tun. Foxtrot Bravo wieder flottmachen. Das Navigationsbuch und den Flugplan vorbereiten -was allein Stunden dauern konnte. Trotz allem aber, trotz ihrer inneren Unruhe, trotz ihrer Trauer um Ed,
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