Letzter Weg
noch Jungfrau war.«
Da kam noch mehr, und Cathy wusste, dass sie es nicht hören wollte.
»Sie alle wollten, dass ich mich dumm und minderwertig fühle«, sagte Kez. »Dass ich mich anders fühle. Sie haben nicht begriffen, dass ich anders war. Dieser Mann hat das auf die harte Tour gelernt, genau wie alle anderen auch.«
Dieser Mann.
»Sie haben mich ausgelacht«, sagte Kez, »aber mein Lachen war lauter.«
Cathy wurde der Mund trocken.
»Und ich habe auch lauter geschrien«, fuhr Kez fort, »denn ich hasste, was ich tat. Ich konnte es auf den Tod nicht ausstehen. Glaubst du mir, Cathy? Kannst du das verstehen?«
»Ich weiß nicht …«, antwortete Cathy.
»Ich habe es gehasst, aber ich musste es tun«, sagte Kez. »Mehr als alles andere.«
»Kez«, versuchte Cathy es erneut. »Ich muss bald wieder zurück.«
»Zu deiner Mutter, der Seelenklempnerin«, sagte Kez.
»Zu Saul«, sagte Cathy.
»Ich weiß«, sagte Kez.
Sie drehte sich noch einen Joint.
99.
Sam und Terri riefen sich in regelmäßigen Abständen an; der Nachmittag ging beängstigend schnell vorbei. Sam war schon seit drei Stunden in Naples und hatte nichts vorzuweisen, und Martinez hatte getan, was er konnte, während Kovac ihm förmlich am Hintern klebte; doch alles, was Martinez bis jetzt über Kez Flanagan herausgefunden hatte, war so ziemlich das, was David Sam bereits erzählt hatte.
»Fast nur Trauriges«, hatte Martinez vor einer Weile zu Sam gesagt. »Einzelkind. Joseph Flanagan, ihr Vater, ist an einem Herzinfarkt gestorben, als Kez sieben war. Gina, ihre Mutter, scheint das Elternsein kurz darauf aufgegeben zu haben.«
Offenbar war Kez auch nicht gerade der akademische Überflieger, aber das Laufen hatte das wettgemacht. Sie hatte alle möglichen Medaillen gewonnen. Was das betraf, hatte sie nie versagt, und sie hatte sich auch keine ernsthaften Verletzungen zugezogen. Es gebe nichts, sagte Martinez, was die junge Flanagan nachhaltig aus der Bahn hätte werfen können.
»Was ist mit Beziehungen?«, hatte Sam sich erkundigt.
»Darüber habe ich gar nichts«, lautete Martinez’ Antwort.
Keine großen Affären, keine schmerzhaften Trennungen und keinerlei bekannte Diskriminierung wegen ihrer Homosexualität.
»Verdammt«, hatte Sam geflucht, »da muss doch irgendwas sein.«
»Das ist es immer«, hatte Martinez ihm beigepflichtet. »Nur heißt das noch lange nicht, dass wir es auch finden.«
100.
Cathy warf einen verstohlenen Blick zur Wohnungstür und fragte sich: Ob Kez abgeschlossen hat, als ich geschlafen habe?
Kein Schlüssel steckte im Schloss, doch Cathy glaubte sich zu erinnern, dass Kez ihn hatte stecken lassen, als sie hereingekommen waren.
Falls die Tür wirklich verschlossen war, hieß das, dass sie nur über den Balkon hinauskonnte.
Cathy ermahnte sich, sich zu beruhigen. Es gab keinen Grund, in Panik zu geraten – nicht, wenn das alles nur Märchen waren, erfunden im Drogenrausch.
Nur dass sie da nicht mehr so sicher war. Und eine der vielen Seltsamkeiten bei dem Ganzen war, dass Kez diese unzusammenhängenden, unvollständigen Geschichten auf eine Art und Weise erzählt hatte, als wären sie vollkommen normal, als glaube sie, dass Cathy sie sich anhören und sagen würde: »Hey, das war interessant. Jetzt lass uns essen gehen.« Als bestünde gar kein Risiko, Cathy zu erzählen, was sie, Kez, den Leuten angetan hatte, die sich über sie lustig gemacht hatten, oder es zumindest anzudeuten.
Es sei denn, Kez betrachtete es als ungefährlich, weil Cathy sich in sie verliebt hatte.
Cathy wusste immer weniger, wie sie wirklich über Kez dachte, über die Geschichten, über alles.
Nur einer Sache war sie sich sicher.
Sie wollte hier raus.
Je eher, desto besser.
»Warum gehen wir nicht aus«, fragte sie, »was essen?«
»Ich dachte, du wolltest wieder nach Hause«, entgegnete Kez und nahm einen Zug von ihrem Joint.
»Ich meinte«, korrigierte sich Cathy, »was zum Mitnehmen für den Heimweg.«
»Du hasst mich jetzt, nicht wahr?«, fragte Kez in plötzlich leidenschaftslosem Ton.
»Natürlich nicht!«, erwiderte Cathy. Ihr Magen verkrampfte sich.
»Was dann? Liebst du mich?«, fragte Kez.
Die Ironie in ihrer Stimme machte Cathy nervös.
»Vielleicht«, antwortete sie. »Ich glaube, ja.«
»Ich bin froh, dass du ›vielleicht‹ gesagt hast«, sagte Kez. »Ich bin froh, dass du noch immer ehrlich sein kannst. Das ist einer der Gründe, warum ich dich auserwählt habe, das alles mit mir zu
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