Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Veilchen. Wie sollen wir denn jetzt auf die Farm zurückkommen?«, fügte sie weinerlich hinzu.
Ihr Kopf war so schwer, dass sie ihn kaum noch aufrecht halten konnte. Plötzlich gluckste sie laut und vernehmlich. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und kicherte. Jemand stellte einen Drink vor sie hin. Vera schaute auf, in ein Gesicht, das vor ihren Augen verschwamm. Sie kannte den Mann nicht. Oder vielleicht doch? Sie konnte sich nicht erinnern.
»Nicht für mich. Mir reicht’s für heute.« Wieder hatte sie einen Schluckauf und gackerte. »Vielleicht nehm ich doch einen Schluck, aber nur einen klitzekleinen.«
»Wollen wir tanzen, Jackie?«
Jacqueline wandte den Kopf. Sie wusste nicht mehr, wie der Mann hieß, der neben ihr stand.
»Nein, nein, nein«, lallte sie. »Ich will nach Hause.«
»Ich bring dich nach Hause. Ist mir ein Vergnügen.«
Wieder blickte sie auf – etwas in seiner Stimme ließ sie frösteln. »Wer bist du?«
»Bob Fitzpatrick. Weißt du nicht mehr? Wir haben uns vorhin miteinander bekannt gemacht.«
»Tatsächlich? Kann mich nicht erinnern.« Die Ereignisse des Abends vermischten sich, sie konnte sie nicht mehr auseinanderhalten.
»Komm, lass uns noch einmal tanzen, bevor ich dich nach Hause fahre.« Bob ergriff ihre Hand.
Jacqueline machte sich los. »Nein, ich will nach Hause. Ich kann meine Schuhe nicht finden! Wo sind meine Schuhe, Vera?«
»Keine Ahnung«, gluckste sie.
»Die suchen wir später«, meinte Bob und griff abermals nach Jacquelines Hand.
»Sie will nicht tanzen, hast du was auf den Ohren? Und jetzt zieh Leine!«
Jacqueline blinzelte verdutzt, als sie die Stimme erkannte. »Nick!«, rief sie aus. Er hatte Bob unsanft zur Seite geschoben. Jacqueline sprang auf, schwankte, schaffte es aber, ihm die Arme um den Hals zu werfen. Sie war so froh, dass er da war. Sie hatte den ganzen Abend unentwegt an ihn denken müssen, jedenfalls, soweit ihr benebelter Zustand das zuließ. »Bringst du mich nach Hause?«
»Ja, und dich auch, Vera.« Ohne Bob aus den Augen zu lassen, fasste er sie am Ellenbogen, um sie auf die Füße zu ziehen.
Sally, die die Szene beobachtete, eilte herbei, stieß Bob zur Seite und half Nick mit Vera. Sally kannte Bob lange genug, sie wusste, dass er betrunken war und Streit suchte. »Verzieh dich, Bob«, sagte sie streng.
Als er nicht gleich reagierte, fügte sie drohend hinzu: »Oder muss ich erst Rick rufen?« Ihr Mann würde ihn ohne zu zögern an die frische Luft befördern, und das wusste Bob. Wer Rick Ärger machte, bekam vier Wochen Lokalverbot, und ein trockener Monat auf dem Land war schlimmer als zehn Jahre Dürre. Bob machte widerwillig Platz.
Mit Sallys Hilfe brachte Nick die zwei Frauen nach draußen. Dann eilte sie noch einmal hinein und holte Schuhe und Handtaschen der beiden, die sie hinter der Bar für sie aufbewahrt hatte. Da Vera nicht mehr aufrecht sitzen konnte, hob Nick sie auf die Ladefläche, wo sie sich hinlegte, den Kopf auf ihrer Handtasche.
»Hier kann ihr nichts passieren«, meinte Sally. »Und wenn sie sich übergeben muss, ist es hier hinten nicht so schlimm.«
Vera rollte sich auf den Rücken. »Ich kann die Sterne sehen«, seufzte sie. Dann fielen ihr die Augen zu.
Jacqueline kletterte auf den Beifahrersitz.
»Danke, dass du uns Bescheid gegeben hast«, sagte Nick zu Sally.
»Ich hab befürchtet, dass die beiden eine Menge Ärger bekommen werden.« Sie nickte mit dem Kinn Richtung Auto. »Hätte ich dich oder Ben nicht erreicht, hätte ich sie nach oben in eins der Zimmer gebracht und die Tür abgeschlossen.«
»Cyril und Tom werden eine Menge Ärger bekommen, verlass dich drauf«, knurrte Nick wütend. Die zwei konnten von Glück sagen, dass er sie in dem überfüllten Lokal nicht gesehen hatte. Nach der Sorge um Jacqueline und Vera stand er so unter Strom, dass er einer Prügelei nicht abgeneigt war.
»Geh nicht zu hart mit ihnen ins Gericht«, bat Sally. »Zwei Frauen wie Vera und Jackie kriegt man hier nicht alle Tage zu Gesicht. Kein Wunder, dass die Männer durchdrehen! Aber die zwei haben auch ihren Spaß gehabt – getanzt, Darts und Billard gespielt. Sie sind wirklich nett. Mit denen kann man Pferde stehlen. Hätten sie bloß nicht so viel getrunken!«
»Keine Sorge, ich bring sie auf direktem Weg nach Hause und ins Bett«, versprach Nick.
Er bedankte sich noch einmal, stieg dann ein und fuhr davon.
21
Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, rutschte Jacqueline näher an Nick heran
Weitere Kostenlose Bücher