Leuchtende Sonne weites Land - Roman
die beiden Frauen bequemt, mit mir zu reden. Aber von dieser Arroganz einmalabgesehen, bin ich überglücklich, dass ich die Stelle bekommen habe und tun darf, was ich so gern tue.
Der nächste Tagebucheintrag war zwei Wochen später datiert.
Ich habe neunzehn Schülerinnen, ganz reizende Mädchen. Und alle weiß. Die Eheleute Burns und Radcliffe wollen anscheinend keine Farbigen an der Schule haben. Ich bin von mehreren schwarzen Müttern gefragt worden, ob ich ihre Töchter nicht unterrichten könnte, und werde jedes Mal beschimpft, wenn ich ablehnen muss. Ich habe den Frauen erklärt, dass ich nichts dafür kann, dass ich mich an die Vorschriften halten muss, aber sie lassen ihren Unmut trotzdem an mir aus.
Es belastet mich sehr, dass ich ihnen eine Absage erteilen muss, vor allem, wenn ich die Enttäuschung auf den Gesichtern der kleinen Mädchen sehe. Sie verstehen nicht, warum sie nicht Ballett tanzen dürfen. Ein kleines Mädchen hat sogar bitterlich geweint, und mir hat es fast das Herz gebrochen.
Drei Wochen später schrieb Margaret:
Es ist bitterkalt geworden, und geschneit hat es auch schon. Trotzdem versäumen meine Schülerinnen keine einzige Stunde. Der Unterricht gibt mir sicherlich mehr als ihnen. Es ist eine solche Freude, diese Mädchen unterrichten zu dürfen! Gestern hat jemand die Tür zum Gemeindesaal mit Eiern beworfen, vermutlich aus Ärger über meine Zurückweisung der farbigen Mädchen. Was soll ich nur machen? Ich würde sie ja gern in meiner Klasse aufnehmen.
Lionel gefällt das alles gar nicht. Er will, dass ich die Stelle aufgebe, aber ich will meine Schülerinnen nicht im Stich lassen, und vor allem will ich Jacqueline nicht etwas wegnehmen, an dem ihr Herz so sehr hängt. Irgendwie werde ich das schon durchstehen.
Jacqueline schaute bestürzt auf. »Dann ist meine Mutter nur meinetwegen an dieser Schule geblieben!«, murmelte sie vor sich hin. »Wäre ich nicht gewesen, hätte sie sicherlich nicht weiterunterrichtet.« Sie erinnerte sich an das kleine farbige Mädchen, das tot auf dem Parkplatz vor der Schule gefunden worden war. »O mein Gott!«, rief sie aus. Zutiefst aufgewühlt, klappte sie das Tagebuch zu und legte es beiseite.
Jacqueline saß am Küchentisch bei einer Tasse Tee, als Vera mit einem Korb Wäsche, die sie abgenommen hatte, hereinkam. Sie fing an, die Wäschestücke zusammenzulegen, doch dann bemerkte sie Jacquelines bedrückte Miene und ihre geröteten Augen.
»Stimmt was nicht, Jackie?«
»Ach …«, murmelte diese achselzuckend, den Blick starr in die Ferne gerichtet.
»Hat es etwas mit dem Tagebuch deiner Mutter zu tun?«, forschte Vera sanft. Sie wollte nicht aufdringlich sein, aber vielleicht würde es ihrer Freundin guttun, sich auszusprechen.
»Ich …«, begann Jacqueline und verstummte wieder.
»Du kannst mir alles sagen, Jackie, das weißt du.«
»Ja, ich weiß, Vera.« Sie holte tief Luft. »Du hast Recht, es ist wirklich besser, wenn ich mit jemandem darüber rede, sonst drehe ich noch durch.«
Vera stellte den Wäschekorb vom Tisch auf den Fußboden und setzte sich.
»Erinnerst du dich, dass ich dir und Tess erzählt habe, meine Mutter und mein Bruder seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen?«
Vera nickte. »Ja, das war auf der Zugfahrt nach Port Augusta. Deshalb freue ich mich ja auch für dich, dass du das Tagebuch deiner Mutter hast und ihr auf diese Weise nahe sein kannst.«
»Wir wurden von einem anderen Wagen verfolgt«, fuhr Jacqueline leise fort. »Das Auto kam auf der vereisten Straße ins Schleudern, durchbrach eine Leitplanke und raste eine Böschung hinunter. Es überschlug sich mehrmals und blieb neben einer Bahnstrecke liegen. Mein Vater und ich haben überlebt, meine Mutter und mein kleiner Bruder nicht.«
»O Gott, Jackie, das muss ja furchtbar gewesen sein!«, stammelte Vera fassungslos.
»Es war der schlimmste Tag meines Lebens«, sagte Jacqueline traurig.
»Du hast gesagt, ihr wurdet von einem anderen Wagen verfolgt?«
»Ja, aber ein Zeuge sagte später aus, dass dieser Wagen nach dem Unfall davonraste, und soviel ich weiß, wurde der Fahrer nie gefasst.«
»Warum hat man euch denn verfolgt?«
Jacqueline suchte nach Worten. Es fiel ihr unendlich schwer, darüber zu sprechen. »Wir mussten uns vor einem aufgebrachten Pöbel in Sicherheit bringen. Man warf uns die Fenster ein und setzte das Haus in Brand. Wir flüchteten durch die Hintertür zur Garage, wurden aber gesehen, als wir im Auto zu entkommen
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