Leuchtende Sonne weites Land - Roman
an jede heranmachen, die mir zufällig über den Weg läuft.«
»Das weiß ich, Ben. Und ich suche keinen Ersatz für Mike. Das ist dir doch auch klar, oder?«
»Ja.« Ben nahm all seinen Mut zusammen und fragte dann: »Erinnerst du dich, dass ich dich gestern Abend ins Haus getragen habe?«
Vera dachte einen Augenblick nach. »Nur verschwommen. Warum fragst du?«
»Du hast gesagt: ›Ich habe dich vermisst.‹ Hast du mich damit gemeint oder Mike?« Ben brachte es nicht fertig, die junge Frau anzusehen, während er auf ihre Antwort wartete. Er starrte auf seine Hände.
»Ich habe dich vermisst, Ben, nicht Mike«, antwortete Vera, ohne zu zögern.
Jetzt erst wagte er aufzublicken. Sein Herz klopfte so sehr, dass er dachte, es würde ihm aus dem Leib springen. »Ich würde mich freuen, wenn du hierbliebst, Vera. Wenigstens für eine Weile. Damit wir Gelegenheit haben herauszufinden, ob mehr aus unserer Freundschaft werden könnte. Was meinst du dazu?«
Vera legte zärtlich ihre Hand auf seine. »Gib mir ein bisschen Bedenkzeit, Ben. Nur um ganz sicherzugehen.«
Ben war enttäuscht, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. »Gut. Das ist nur fair.« Er stand auf und berührte sie an der Schulter. »Ich muss los, auf mich wartet eine Menge Arbeit.«
22
»Ben will kommendes Wochenende eine Party geben«, sagte Vera zu Jacqueline, als sie am Dienstagmorgen gemeinsam die Hausarbeit erledigten. Beide hatten sich inzwischen von ihrem Kater erholt.
»Aus welchem Anlass denn?«
»Es soll eine Willkommensparty für uns werden, hat Geoffrey mir erzählt. Ist das nicht nett? Ich glaube, Ben und Nick wollen uns ein bisschen mehr Abwechslung bieten, damit wir nicht in Versuchung kommen, noch einmal nach Hawker zu fahren und einen Abend durchzuzechen«, fügte sie augenzwinkernd hinzu.
Die zwei wussten nicht, dass Nick am Montagmorgen in die Stadt gefahren war und Sally und Rick um einen Gefallen gebeten hatte. »Ihr könnt jedem, der zu uns hinauskommen und Jackie oder Vera sehen will, ausrichten, er kann sich den Weg sparen. Und das gilt ganz besonders für Cyril Luxton und Tom Stevens.«
»Du meldest wohl eigene Ansprüche an, was?«, frotzelte Sally. Als Nick nicht widersprach, kam ihr der Verdacht, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Ich glaube, Nick ist verliebt«, sagte sie zu ihrem Mann, als Nick fort war.
»Nick? Nie im Leben! Er hat bloß keine Lust auf unnötige Scherereien. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich wegen dieser beiden Frauen geprügelt. Das wäre vermutlich ins Auge gegangen, die anderen waren ja weit in der Überzahl.«
»Ich gehe jede Wette ein, dass ich Recht habe. Du wirst schon sehen«, erwiderte Sally mit selbstgefälliger Miene. Sie hatte beobachtet, wie Jacqueline sich Nick an den Hals geworfen und wie rührend er sich um sie gekümmert hatte. Sie fragte sich, was die zwei auf der Heimfahrt miteinander geredet hatten.
Rick schüttelte nur den Kopf und verdrehte entnervt die Augen.
»Ich glaube, ich werde eine Weile nur noch Wasser trinken«, sagte Jacqueline jetzt. Sie hatte zwar keine Kopfschmerzen mehr, aber immer noch ein mulmiges Gefühl im Magen.
Vera nickte. »Ich werde mich auch zurückhalten, das kannst du mir glauben. Ein solcher Kater im Jahr genügt!«
Als Vera später an diesem Tag ihre Freundin suchte, fand sie sie in ihrem Zimmer, wo sie auf dem Bett lag und las.
»Da bist du! Ich hab dich schon überall gesucht!«
»Warum, soll ich dir helfen?«, fragte Jacqueline zerstreut.
»Nein, nein, die Wäsche ist bald trocken, und das Gemüse fürs Abendessen habe ich auch schon geputzt. Was liest du denn?«
»Das Tagebuch meiner Mutter.«
»Oh, dann will ich dich nicht länger stören.« Vera verließ das Zimmer.
Jacqueline hatte gelesen, was ihre Mutter über die Ballettschule schrieb, und war ganz fasziniert.
Ich bin schrecklich aufgeregt. Ich habe die Stelle als Ballettlehrerin an der Vivienne School of Ballet bekommen, die im Gemeindesaal der presbyterianischen Kirche untergebracht ist. Ich wollte immer schon Ballettlehrerin werden. Und Jacqueline darf kostenlos an meinem Unterricht teilnehmen. Die Schule gehört Vivienne Radcliffe und Audrey Burns, zwei angesehenen Damen der Gesellschaft. Viviennes Mann ist Vorsitzender des Kunstausschusses von Atlanta, und Audreys Mann ist Universitätsprofessor.
Ich habe die Stelle wahrscheinlich nur bekommen, weil Lionel Botschaftsangehöriger ist. Erst als ich das erwähnte, haben sich
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