Leuchtende Sonne weites Land - Roman
einen Augenblick. Es kam häufiger vor, dass seine Klienten sich bei ihm ausweinten. Zum Glück hatte er breite Schultern. »Möchten Sie darüber reden?«
Henry starrte die Theke an und sagte leise: »Auf der Überfahrt nach Australien lernte ich eine sehr attraktive Frau kennen. Sie reiste mit ihrem Sohn und ihren Eltern. Es funkte sofort zwischen uns.«
»Und was hat Ihre Frau dazu gesagt?« Brent konnte sich nicht vorstellen, dass er vor ihren Augen eine Affäre begonnen hatte, zumal Jacqueline, soweit man das anhand ihrer Fotografie beurteilen konnte, eine ungemein hübsche Person war.
Henry blickte zerknirscht drein. »Sie hatte keine Ahnung. Sie hat sich fast während der ganzen Reise in unserer Kabine aufgehalten, weil sie so seekrank war. Ich bin mir natürlich ziemlich mies vorgekommen, und das völlig zu Recht, aber Jacqueline und ich haben keine Kinder, und es wurmte mich, dass ich keine Gelegenheit haben sollte, Vater zu sein. Ich dachte, mit Verity könnte ich eine Familie gründen. Deshalb bat ich Jacqueline um die Scheidung. Das war kurz bevor das Schiff in Adelaide anlegte. In meiner Einfalt habe ich geglaubt, sie würde mich verstehen. Ich habe ein paar Tränen erwartet, mehr nicht – zumal ich ihr eine großzügige Abfindung anbot. Ich schlug ihr vor, in die Staaten zurückzukehren, wo sie ein neues Leben beginnen könnte.«
»Aber stattdessen flogen die Fetzen, hab ich Recht?«
»Na ja, ihre Reaktion fiel schon ein wenig heftiger aus, als ich erwartet hatte. Ich solle mir meine Abfindung sonst wohin schieben, schäumte sie und ging in Adelaide von Bord. Sie halten mich vermutlich für unglaublich naiv, und Sie haben völlig Recht. Ich hatte alles wunderbar bis ins Kleinste geplant, aber dabei zwei unkalkulierbare Faktoren übersehen: die Frauen in meinem Leben.«
»Sie kennen doch das Sprichwort: Erstens kommt es anders …« Brent wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Wer so dumm war, verdiente kein Mitgefühl.
»Genauso ist es. Ursprünglich hatte ich in das Geschäft meines Bruders in einem Vorort von Melbourne einsteigen wollen. Aber Philip war immer schon ein sehr aufrechter, moralischer Mensch, und das ist er offenbar bis heute geblieben. Für einen Geschäftspartner ist dieser Charakterzug von unschätzbarem Wert, aber Philip ist mein Bruder, auf dessen Verständnis ich hoffte – hier hat erversagt. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, dass aus der Teilhaberschaft nichts wurde, als er von meiner Beziehung zu Verity erfuhr. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Brent nickte. »Es gibt in Melbourne zahlreiche Möglichkeiten, sein Geld auf ehrliche Art und Weise zu verdienen, aber auch viele fragwürdige Angebote, wie man angeblich schnell reich wird. Man muss vorsichtig sein.«
»Das stimmt. Ich habe mich jetzt an einem Geschäft beteiligt, in das Veritys Eltern ihr Geld investiert haben.«
»Ach ja?« Brent hoffte für ihn, dass er die Sache genau geprüft hatte. Er schien nicht sonderlich begeistert. »Nehmen Sie es mir nicht übel, Henry, aber Sie machen mir nicht den Eindruck, als seien Sie sehr glücklich mit dieser Verity.«
»Sie ist jung, bildhübsch und leidenschaftlich, aber sie ist auch verdammt anstrengend und geht nicht gerade sparsam mit meinem Geld um«, gestand Henry, dem es guttat, sich seinen Kummer von der Seele reden zu können. »Trotz aller sportlichen Betätigung im Schlafzimmer habe ich in den letzten Wochen mindestens fünfzehn Pfund zugenommen, während meine Brieftasche mindestens um fünfzehnhundert Pfund leichter geworden ist.«
»Verstehe.« Brent kannte Frauen wie Verity. Sie angelten sich einen reichen Mann, dessen Geld sie dann zum Fenster hinauswarfen. Sie verprassten alles, lebten nur für den Augenblick.
»Ich wohne immer noch im Ambassador, und die beiden Suiten kosten ein Vermögen«, fuhr Henry fort. »Eigentlich hatte ich nur ein, höchstens zwei Nächte dort verbringen wollen, aber jetzt sind Wochen daraus geworden. Verity geht fast jeden Morgen mit ihrer Mutter einkaufen, sie kleiden sich in den teuersten Boutiquen ein, oder sie haben Termine für eine Maniküre oder eine Gesichtsbehandlung oder was weiß ich nicht alles im hoteleigenen Kosmetiksalon. Wie viele Gesichtsbehandlungen pro Woche braucht eine Frau denn, Herrgott noch mal? Gegessen wird nur im Hotelrestaurant, drei Gänge pro Mahlzeit, und alles auf die Zimmerrechnung.Die müssen mich für einen gottverdammten Multimillionär halten!«, schimpfte Henry
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