Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Gesichtsausdruck.
»Du hättest es mir gestern Abend beim Essen sagen können«, konterte Henry. Er hatte geglaubt, Maxine und Ron hätten sich aus Taktgefühl mit dem Kind zurückgezogen, damit er und Verity ein paar Stunden für sich allein hätten. Wenigstens brauchte er jetzt nicht mehr diese horrenden Rechnungen für Drei-Gänge-Menüs für vier Erwachsene und ein Kind zu bezahlen. »Wo sind sie denn hingezogen?« Plötzlich kam ihm eine Idee. »Könnten wir nicht bei ihnen wohnen? Das würde eine Menge Geld sparen.«
Verity wurde allmählich nervös. Falls das ein Scherz sein sollte, dann trieb er ihn jetzt aber wirklich auf die Spitze. »Sie haben sich eine Wohnung irgendwo am Yarra gemietet. Sie ist kaum groß genug für sie beide und Johnny, geschweige denn für uns alle fünf.«
Henry zog verwirrt die Stirn in Falten. »Sie haben Johnny mitgenommen?« Das kam ihm merkwürdig vor.
»Ja, es gibt dort einen kleinen Garten, da hat er mehr Freiheit als hier im Hotel.«
Wieso war eine kleine Wohnung, selbst eine mit Garten, besser für ein Kind, als in einem Luxushotel zu wohnen? »Du hast doch ihre Adresse, nehme ich an.«
»Ja, ja, die hab ich irgendwo notiert«, erwiderte Verity vage.
Für Henry ergab das alles keinen Sinn. »Verity, ich muss wissen, wo deine Eltern sind. Immerhin habe ich mein Geld zusammen mit ihrem in diese Vermögensanlage investiert.« Er verspürte ein unangenehmes Kribbeln in der Magengrube.
»Mach dir deswegen keine Gedanken, Liebling«, säuselte sie. »Ich weiß genauestens Bescheid. Ich bin zwar blond und attraktiv, aber nicht blöd. Ich werde doch nicht zulassen, dass dir etwas passiert, Henry.«
Er entspannte sich wieder ein wenig.
»Und jetzt sag mir, dass das mit dem Royal Exchange nur ein Scherz war! Wir können uns doch sicher was Besseres leisten, oder?«
»Ich fürchte nicht, nein.« Henry schüttelte den Kopf. »Ich habe Jacqueline gerade eine Abfindung überwiesen und bin deshalb ziemlich knapp bei Kasse. Gut möglich, dass ich mir einen Job suchen muss, bis die Geldanlage einen Ertrag abwirft. Du solltest dich vielleicht auch mit dem Gedanken anfreunden.«
Verity setzte eine bestürzte Miene auf. »Ich und arbeiten? Nein, nein, das ist nichts für mich.«
Henry verdrehte genervt die Augen. Er hatte nicht erwartet, dass sie seinen Vorschlag begeistert aufnehmen würde, aber wenigstens war der Wutanfall ausgeblieben, mit dem er gerechnethatte. Wenn sie kein Geld mehr für Frisör, Kosmetikerin und Kleider ausgeben konnte, würde ihr sicher bald langweilig werden, und sie würde sich nach einem Job umsehen. Das hoffte er jedenfalls.
Jacqueline fühlte sich seit Tagen unwohl. Zuerst hatte sie dem ungewohnten Essen im Lager der Aborigines die Schuld gegeben, aber als die Übelkeit anhielt, wunderte sie sich schon ein wenig. Auch Ben ging es nicht gut. Er dachte, er habe die Grippe. Alles tat ihm weh, jeder einzelne Knochen, aber die Schmerzen in der Brust waren am schlimmsten, und darüber waren alle sehr beunruhigt. Er und Nick hatten mit den Vorbereitungen für die Schafschur viel zu tun gehabt, und als die Schafscherer endlich da waren, arbeiteten sie noch viel härter.
Jacqueline vermisste Vera sehr, Ben auch, das wusste sie. Als es ihm nicht besser ging, bat sie Rachel, zu kommen und nach ihm zu sehen. Ben ahnte nichts davon. Nick war in der Stadt, um Vorräte zu besorgen, und er hatte sich gerade ein wenig hingelegt, als es klopfte. In der Annahme, es sei Jacqueline, rief er:
»Herein.«
»Hallo, Ben«, grüßte Rachel.
»Was willst du denn hier?«, lautete die ungehaltene Antwort. Hatte er Jacqueline nicht gesagt, er brauche keinen Arzt? »Ich dachte, du seist schon fort.«
»Das ist ja eine freundliche Begrüßung!«, erwiderte Rachel in gespielter Empörung, eine Hand in die Seite gestemmt. »Ich reise übermorgen ab, deshalb möchte ich mich von allen meinen Patienten verabschieden, sogar von den griesgrämigen.«
Jacqueline hatte sie darum gebeten, Ben unter einem Vorwand zu besuchen, sie wusste, er würde es ihr übel nehmen, wenn sie Rachel in ihrer Eigenschaft als Ärztin gerufen hätte.
»Ach so«, brummte Ben zerknirscht. »Ein Jammer, dass du uns verlässt«, fügte er etwas freundlicher hinzu. »Wir alle werden dich vermissen, auch wenn du uns ständig herumkommandierst. Ichnehme an, irgendein vertrottelter alter Doktor unmittelbar vor dem Ruhestand wird dein Nachfolger werden, oder?«
Rachel lächelte. »Irrtum. Mein Nachfolger ist
Weitere Kostenlose Bücher