Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Kinder bekommen.«
Rachel sah sie prüfend an. »Ist das von einem Arzt festgestellt worden?«
»Nein, das nicht, das heißt, die Ärzte in New York konnten nichts finden, aber ich war zehn Jahre verheiratet und bin nie schwanger geworden.«
»Ist Ihr Mann auch untersucht worden?«
»Nein, Henry meinte, das sei nicht nötig.«
»Bei Unfruchtbarkeit muss man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Die Ursache kann bei der Frau, aber genauso gut auch beim Mann liegen. Ich werde Ihnen ein bisschen Blut abnehmen undauch eine Urinprobe mitnehmen, dann sehen wir weiter. Sie bekommen die Ergebnisse auf jeden Fall, bevor ich nach Sydney abreise.«
Zwei Tage später funkte Rachel Jacqueline an. »Sind Sie allein? Over.«
»Ja, die Männer sind draußen bei den Schafen. Over«, antwortete Jacqueline.
Rachels Worte waren ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen, aber sie war sicher, dass sie nicht schwanger war. Sie weigerte sich, sich diesem Gedanken auch nur eine Sekunde hinzugeben, weil das ganz und gar unmöglich war.
»Die Ergebnisse sind positiv, Jackie. Over.«
»Positiv!«, wiederholte Jacqueline benommen.
»Ja, Sie sind definitiv schwanger. Seit ein paar Wochen. Over.« Rachel hatte eine Vermutung, wer der Vater sein könnte. Sie kannte Nick sehr gut und hatte bemerkt, dass er sich veränderte.
Jacquelines Gedanken überschlugen sich. Da sie während der Überfahrt so krank und Henry ja vollauf mit Verity beschäftigt gewesen war, hatten sie nicht ein einziges Mal miteinander geschlafen. Das bedeutete, dass das Kind in der Nacht gezeugt worden war, in der sie und Nick sich zum ersten Mal geliebt hatten. Jacqueline stand unter Schock.
»Jackie? Sind Sie noch da? Over.«
»Ja. Ja, ich bin noch da. Ich versuche nur zu begreifen, was Sie mir da erzählen. Over.«
»Ich kann mir denken, dass das völlig überraschend kommt. Es geht mich ja nichts an, aber falls Sie mit jemand anderem als mit Ihrem Mann intim gewesen sind, liegt der Grund für Ihre kinderlose Ehe bei ihm, nicht bei Ihnen. Over.«
»Mein Mann und ich haben während der Überfahrt nicht miteinander geschlafen, Rachel, und in Adelaide haben sich unsere Wege getrennt. Ich habe eine Beziehung zu einem anderen Mann. Over.«
»Oh.« Rachel sah sich in ihrer Vermutung bestätigt. »Nun, dann hoffe ich, dass Sie sich freuen. Over.«
»Ich bin völlig baff, aber überglücklich«, gestand Jacqueline mit Tränen in den Augen. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Mutter werden würde. Das sind wundervolle Neuigkeiten, auch wenn es überraschend kommt. Danke, Rachel. Over.«
Rachel hörte die tiefe Ergriffenheit in ihrer Stimme. »Mir brauchen Sie nicht zu danken, ich hatte nichts damit zu tun. Ich freue mich für Sie. Passen Sie gut auf sich auf, und suchen Sie so bald wie möglich meinen Nachfolger auf wegen der Schwangerschaftsvorsorge. Over.«
»Mach ich. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Rachel. Ich hoffe, Sie kommen wieder hierher zurück. Over.«
»Ganz bestimmt sogar. Mir gefällt es ausgezeichnet in den Flinders Ranges und Nicholas auch. Over und Ende.«
Jacqueline öffnete die Glastür, trat auf die Veranda und schaute auf das Land hinaus. Sie legte ihre Hand auf ihren Bauch. Kaum zu glauben, dass darin ein neues Leben heranwuchs. Ein Baby! Nicks Baby. Sie weinte vor Freude.
Als sie sich ein wenig gefasst hatte, überlegte sie, wie sie es Nick beibringen und wie er es wohl aufnehmen würde. Würde er sich auch so sehr darüber freuen wie sie? Am liebsten wäre sie losgelaufen und hätte ihn gesucht, um ihm die gute Nachricht sofort zu überbringen, und sei es auf einer Koppel inmitten einer Schafherde. Aber sie wusste, sie musste ein bisschen feinfühliger vorgehen. Sie beschloss zu warten, bis sie ein paar Minuten für sich allein hatten.
27
Sally wischte gerade den Fußboden auf, als ein Fremder die Bar des Hawker Hotel betrat.
»Morgen«, grüßte sie und warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war kurz nach elf. Wochentags kamen die ersten Gäste normalerweise erst am Spätnachmittag. »Falls Sie einen Drink wollen, ich komme gleich.«
»Was könnte ich sonst wollen in einer Bar?«, gab Henry patzig zurück. Sein Ton war schärfer gewesen als beabsichtigt, aber er war furchtbar nervös.
Sally richtete sich auf, funkelte ihn grimmig an und stellte ihren Mopp in eine Ecke. Sie musterte den Fremden, einen arroganten Lackaffen aus der Stadt mit einem selbstherrlichen breiten amerikanischen Akzent. In den zehn Jahren,
Weitere Kostenlose Bücher