Leuchtendes Land
Nacht eigentlich gelaufen, du verrückter Scheißkerl? Hast wohl allein einen gehoben, was?«
Über eine Stunde stritten sie sich – zur Belustigung der Passanten – vor dem
Black Cat
. Dieses Mal war es Mike, der seinem Partner vorwarf, er sei ein Betrüger, der ihn um die Gewinne bringe.
»Das Glück hat dir Yorkey beschert, dann musst du auch dabeibleiben«, beharrte Mike.
»Sei nicht so abergläubisch. Ich habe die Nase voll von dieser Stadt. Ich möchte nach Hause.«
»Das wollen tausend andere auch, aber jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.«
»Ich verkaufe dir meinen Anteil.«
»Nein, das wirst du nicht. Du hast damit angefangen, nun bringst du es auch zu Ende. Schreib an Thora, dass du bald nach Hause kommst. Das wäre doch schon einmal ein Anfang.«
»Ich könnte meinen Anteil auch an jemand anderen verkaufen.«
»Und mir einen Weichling mit zarten Damenhänden ans Bein hängen, was? Zum Teufel damit. Wir sind keine Firma, und ohne meine Einwilligung kannst du deinen Anteil auch gar nicht verkaufen. Meine Unterschrift dafür bekommst du nie und nimmer.«
Clem verlegte sich aufs Bitten. »Du hast keine Familie. Ich schon.«
Letztendlich erklärte er sich bereit, noch einige Wochen zu bleiben, um zu sehen, ob Yorkey wirklich noch Gold abwarf. Die Bedingung war, dass ein Prüfer die Mine untersuchen und sein Urteil darüber abgeben würde. Der Anstoß dazu kam von Mike.
»Es geht nicht nur um deine Frau, denk mal an eure Tochter. Du und Thora mögt einander vermissen, aber du bist jung und hast alle Zeit der Welt. Willst du nicht etwas für Lydia erreichen? Das
Black Cat
wirft nicht bis in alle Ewigkeit so viel Geld ab. Wenn das Gold versiegt, stirbt auch diese Stadt. Du bist nicht wegen ein paar Pfund hergekommen, du wolltest das große Geld machen. Nun hast du die Chance, der Familie Price für Generationen eine gesicherte Basis zu schaffen.«
Bevor sie die Stadt verließen, suchte Clem das Postamt auf und stellte zu seiner Enttäuschung fest, dass in dieser Woche keinerlei Post für ihn eingetroffen war. Selbst Alice hatte nicht geschrieben. Er nahm sich Zeit für einen Brief an Thora, in dem er ihr seine baldige Heimkehr ankündigte und erklärte, wie sehr er sie vermisse.
Lydia habe kein Kindermädchen, sondern eine Nanny, belehrte Thora die Leute, seit sie das Wort bei Lord Kengally aufgeschnappt hatte. Überhaupt hatte die Nanny das Kommando übernommen, da Mrs. Price mit Einladungen förmlich überschüttet wurde.
An erster Stelle standen bei Thora ihre beiden »Verehrer«, wie sie die Herren insgeheim nannte. Lord Kengally war zwar schon älter, aber einfach göttlich, und Edgar mit seinem distinguierten Wesen war ein perfekter Begleiter! In seiner Gesellschaft fühlte sie sich entspannt und gut unterhalten, doch auch Lord Kengally war für einen Mann seines Alter überraschend amüsant. Ihr eigener Vater hätte sich, was gesellschaftlichen Stil anging, von beiden eine Scheibe abschneiden können. Er wäre tot umgefallen, wenn er gewusst hätte, wer seine Tochter in die feine Gesellschaft von Perth eingeführt hatte.
Im Hotel hatte sich die Nachricht, Mrs. Price sei eine Freundin des adligen Engländers, wie ein Lauffeuer verbreitet, und am Dienstagmorgen trafen elegante Visitenkarten und Einladungen bei ihr ein. Thora kannte diese Menschen nicht, ließ sie aber in ihre Traumwelt ein und machte sie zu ihren Freunden. Sie ging einkaufen und pickte sich nur die modischsten Kleider, Schuhe und Hüte heraus, während ihr die Damen in den eleganten Geschäften schmeichelten und zu ihrem exzellenten Geschmack gratulierten. Auf Edgars Rat hin ließ sie die Rechnungen ins Hotel und von dort aus nach Lancoorie schicken. Tanner leistete ihr gern Gesellschaft bei den Einkaufsbummeln und lud sie hinterher zum Essen ein. Schließlich brauchte sie als alleinlebende Frau in der Großstadt einen männlichen Begleiter.
Nachdem Thora handgefertigtes Briefpapier mit aufgemalten Wildblumen gekauft hatte, sagte sie unbekümmert allen Einladungen zu Mittagessen, Tees und Abendgesellschaften zu. Eines Morgens fand sie sich von einigen Damen umgeben beim Tee im Speisesaal des Hotels wieder. Dies sollte die erste und letzte Teegesellschaft sein, die sie besuchte.
Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern, wie sie hergekommen war, doch all diese Frauen waren so liebenswürdig. Sie wurde zu ihrem Platz am besten Tisch geführt, der mit Rosen geschmückt war. Sie sammelten im Namen der
Weitere Kostenlose Bücher