Leuchtendes Land
habe sie gehen sehen«, hatte er gesagt. Zweimal sogar, um sie die Demütigung spüren zu lassen. Er hatte über sie gelacht.
Sie.
Er war mit Jocelyn unterwegs, seiner Hure!
»Dafür wird er teuer bezahlen!«, sagte sie, im Zimmer auf- und ab laufend.
Sie hatte ganz vergessen, dass Clem das Zimmer mit Vosper teilte. In ihren Augen gehörte alles, was darin herumstand oder -lag, ihm, dem Mann mit den zwei Gesichtern.
Und es standen zwei Betten im Zimmer.
Lebte Jocelyn hier mit ihm? Schlich sie sich Nacht für Nacht hier herein? Oder stolzierte er Arm in Arm mit diesem Flittchen die Treppe hinunter, gab mit ihr an, während seine anständige Ehefrau versteckt in einem Cottage leben musste?
In einem hysterischen Anfall riss sie die Bezüge und Laken von den Betten herunter. Rache war süß. »Ich werde es ihm zeigen!«, schrie sie und zerrte die Matratzen aus den Bettkästen.
Unter der einen fand sie eine Brieftasche. Da es nicht Clems war, musste sie wohl
ihr
gehören. Sie flog aus dem Fenster.
Thora inspizierte das ganze Zimmer, riss Schubladen und Schränke auf und schleuderte deren Inhalt durch die Gegend. Sie fand sein Rasiermesser und zerschnitt mit der scharfen, dünnen Klinge wie rasend die Luft. Der Boden war mit Kleidungsstücken übersät. Teils zerschnitt, teils zerfetzte Thora sie und warf sie dann wieder weg.
In der Ecke hinter dem schweren Kleiderschrank erspähte sie zwei Angelruten, die auf einem Kasten standen. Da sie mit dem Rasiermesser nicht viel ausrichten konnte, zerbrach sie die Ruten kurzerhand über dem Knie. Dann bückte sie sich, öffnete den Kasten und fand darin zu ihrem Erstaunen einen Revolver und eine Schachtel Munition, die in grünen Filz eingeschlagen war. »Sieh einer an!«, höhnte sie. »Wie gut du auf deine Sachen achtgibst!«, Er hatte die hölzerne Kassette, die einmal Noah gehört hatte, stets wie seinen Augapfel gehütet, das Holz regelmäßig poliert und die Lederriemen geölt. Nun sah sie schäbig und ramponiert aus und schien Silberfische zu beherbergen. Thora kam gar nicht auf die Idee, dass dies gar nicht Clems Kasten war, dass er gar keinen Grund hatte, überhaupt eine Waffe mit nach Perth zu bringen.
Sie lud den Revolver fachmännisch, wie man es ihr auf Lancoorie so oft gezeigt hatte, da man dort ständig vor Schlangen auf der Hut sein musste. Allerdings hatte Alice sich meist der Schlangen annehmen müssen. Thora hingegen war gewöhnlich samt Baby schreiend vor ihnen davongelaufen. Doch wie man eine Waffe lud, hatte sie nicht verlernt.
»Vor Waffen habe ich keine Angst«, sagte sie stolz und strich sanft über den kalten Lauf und den glatten Holzgriff.
»Doch
er
wird sich fürchten, wenn er hereinkommt und eine Waffe auf sich gerichtet sieht. Diese Lektion wird er nicht vergessen. Alles, was er mir über diese Versammlungen erzählt hat, war gelogen. Es ging ihm nur darum, zu verschleiern, was er tatsächlich getrieben hat.«
Voller Vorfreude malte Thora sich Clems Rückkehr aus, das Entsetzen, das ihn packen würde. Doch es galt, alles sorgfältig vorzubereiten.
Sie legte die Waffe vorsichtig auf den Toilettentisch und sah sich um. Als Erstes würde sein Blick aufs Bett fallen. Sie zerrte die Matratze wieder an ihren Platz, legte das weiße Laken über den hässlichen Drillich, glättete das Betttuch und ließ sich mit dem Revolver in der Hand auf dem Bett nieder, die Augen auf die Tür gerichtet. Dann arrangierte sie die Falten ihres dunkelblauen Mantels so vorteilhaft wie möglich auf dem weißen Bett. Sie hatte ihn vorne aufgeknöpft, so dass das helle Blau ihres Kleides hervorblitze.
Zufrieden faltete Thora die Hände über dem Revolver in ihrem Schoss und wartete. Sobald er das Zimmer betrat, würde sie die Waffe auf ihn richten.
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12. Kapitel
L illian hatte sich so an die Ausmaße von Minchfield House gewöhnt, dass der Anblick von Henery Whipples zweistöckigem Haus und dem kleinen Garten zunächst Enttäuschung in ihr auslöste. Sie hatte geglaubt, hier in St. Georges Terrace erwarte sie eine großartige Residenz. Doch schon bald wussten die Gäste die gemütliche Atmosphäre von Whipples Haus zu schätzen. Zu Roberts Ärger hatten Lil und er getrennte Zimmer. Doch Lil war überzeugt, dass auch ein gemeinsames Schlafzimmer ihm nicht recht gewesen wäre, denn Robert war ein notorischer Nörgler, der an allem etwas auszusetzen hatte.
»Henery weiß, wie wir zueinander stehen«, flüsterte er. »Und du weißt, dass ich ungern allein
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