Leuchtendes Land
Thora ging es schon seit langem nicht gut …«
»Das hast du nie erwähnt. Was genau meinst du damit?«
»Geistig, wenn du es unbedingt wissen willst. Denk mal darüber nach. Ich weiß nicht, was zwischen euch hier in Perth vorgefallen ist – das geht nur euch etwas an –, doch ich vermute, dass du etwas verschweigst. Am Ende wird es doch herauskommen. Warum hast du nicht erwähnt, dass du mit Lil Cornish getanzt hast?«
»Das stimmt nicht! Du bringst etwas durcheinander.«
George schüttelte den Kopf. »Nein. Vosper hat sie für mich ausfindig gemacht. Sie hat auf einem Anwesen namens Minchfield House gearbeitet. Es ist flussaufwärts gelegen. Doch das wirst du ja wissen …«
»Woher zum Teufel sollte ich das wissen? Diese Frau war eine Miss Warburton. Sie hat mir ihren Namen genannt. Wenn ich es mir allerdings recht überlege, kam sie mir bekannt vor.«
»Sie heißt nicht Miss Warburton. Die gute Frau hat dir einen Bären aufgebunden. Sie ist lediglich mit einem Robert Warburton verlobt. Es war Lil Cornish. Sie hat in Minchfield House als Warburtons Haushälterin gearbeitet. Er ist Junggeselle. So haben sie zusammengefunden.«
»Wie hat Vosper all das herausgefunden?«
»Über einen Mann, der hier in der Stadt Dienstbotenstellen vermittelt. Es ist definitiv Mrs. Cornish. Sie hatte ihr Kind bei sich.«
»Wo ist Ted?«
»Ein Ehemann wurde nicht erwähnt.«
»O Gott«, stöhnte Clem, »jetzt fällt es mir wieder ein. Sie hat Thora erkannt und ihren Namen gerufen.«
»Genau. So wie es aussieht, landete sie auf der Party, weil Mr. Warburton und Henery Whipple befreundet sind.«
Eine Krankenschwester kam herein und richtete Clems Bett. George sah so lange aus dem Fenster, um sich die Neuigkeiten durch den Kopf gehen zu lassen. Er war erleichtert, dass Clem seine Tanzpartnerin nicht erkannt hatte. Das Gegenteil hätte die Sache verkompliziert und ihn gezwungen, Clems Aufrichtigkeit in Zweifel zu ziehen. Doch es blieben immer noch Jocelyn und das, was Clem verschwieg.
George setzte sich wieder zu Clem ans Bett. »Dir kam Lil Cornish bekannt vor. Vielleicht ging es Thora ebenso. Doch sie hat einen Fehler gemacht: Sie hat Lil mit Jocelyn verwechselt. Warum war sie so zornig auf diese Frau, Clem? Du solltest darüber nachdenken.«
»Das tue ich doch. Thora ist nie viel ausgegangen. Wer immer sie so aufgeregt hat, muss sie im Cottage aufgesucht haben. George, frage Netta unbedingt, ob Thora Besuch hatte, bevor all das geschehen ist. Und noch etwas: Würdest du Thoras Anwalt herbitten? Ich muss dringend mit ihm sprechen. Wir können nicht zulassen, dass sie Thora ins Gefängnis stecken.«
»Gefängnis oder Irrenanstalt, was für eine Alternative«, dachte George auf dem Weg in die Stadt. Er wünschte sich, er hätte Thoras geistige Verwirrung früher zur Sprache gebracht, hätte nach Clem geschickt, irgendetwas unternommen. Nach einem Gespräch mit Netta hatte er ein klareres Bild von Thoras Verfall gewonnen. Auch ihr Anwalt wusste, was mit ihr los war. Was würde ihr Verteidiger aus der Sache machen?
»Ich habe mit Mr. Conway über Ihre Bitte gesprochen«, erklärte Forbes bei seinem zweiten Besuch im Krankenhaus. »Er ist dagegen und mißbilligt Ihren Wunsch, Ihre Frau hier zu sehen, auf das entschiedenste. Er gewinnt allmählich ihr Vertrauen und duldet keine Einmischung, da sie endlich zu sprechen beginnt.«
»Aber ich würde mich nicht einmischen. Sie braucht mich und meine Unterstützung. Seit George Gunne abgereist ist, erhält sie gar keinen Besuch mehr.«
»Mr. Vosper darf sie besuchen, unter der Bedingung, dass Mr. Conway oder ich anwesend sind. Wenn Sie Ihrer Frau wirklich helfen möchten, sollten Sie sich aus der Sache heraushalten und Mr. Conway den Fall auf seine Weise vorbereiten lassen.«
»Soll ich vielleicht warten, bis man sie verurteilt hat?«, fragte Clem bitter.
»Mr. Conway ist ein ausgezeichneter Strafverteidiger.«
»Die Polizei war hier. Ich habe erklärt, dass ich nicht gegen meine Frau aussagen werde. Beweist das nicht, dass ich auf ihrer Seite stehe?«
»Das ist sehr löblich, doch Mr. Conway bleibt bei seiner Ablehnung. Es ist von großer Bedeutung, dass Sie sich nicht einmischen. Ich werde Mrs. Price Ihre guten Wünsche überbringen. Sie wissen wohl, dass ihr alles ausgesprochen leidtut.«
Alice war auf dem Rückweg vom Bahnhof. Sie würde George vermissen. Seine Besonnenheit hatte ihr so gutgetan. Es würde ihr schwerfallen, ab sofort alles allein
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