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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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machen, was irgendwie gefährlich sein könnte. Alina hält sich natürlich null daran. Im letzten Sommer hat sie ja, unter meiner unfreiwilligen Mithilfe, einen Einbruch verübt. Ich glaube, ich habe die Angelegenheit schon erwähnt. Außerdem klaut sie manchmal Kleidung bei H&M oder Miss Sixty. Total kaltblütig. Sie geht mit den Teilen in die Umkleidekabine, schafft es irgendwie, die Sicherungen zu entfernen, stopft die Klamotten in ihren Rucksack und latscht ganz entspannt raus. Ich würde mich das niemals trauen. Niemals. Aber Alina hat so ein
Pokerface drauf, wie ein echter Profi. Wenn die nicht irgendwann mal eine Bank ausraubt! Wundern würde es mich nicht. Na ja, ich habe ihr gesagt, dass das nicht mein Style ist, aber Alina ist dickköpfig. Ich sage, dass ich das ethisch nicht in Ordnung finde, weil ja Leute für das Nähen der Klamotten bezahlt wurden und sie quasi die Leute beklaut. Dann zuckt sie nur mit den Schultern und meint: »Es ist ethisch auch nicht zu vertreten, dass ich so alte Eltern habe, die sterben werden, bevor ich erwachsen bin.« In dem Punkt muss ich ihr leider recht geben. Ihre Mutter ist schon achtundfünfzig. Und ihr Vater ist sechzig.
    Ich höre schlurfende Schritte hinter der Tür und leider öffnet mir Alinas Mutter. Überflüssig zu erwähnen, dass ich überhaupt kein Interesse habe, mich mit ihr zu unterhalten. Immer hat die irgendeinen irren Vorwurf parat.
    »Lelle? Wie siehst du denn aus?«
    Das muss sie mich gerade fragen! Auf dem Kopf hat sie eine voluminöse Föhnhaube, bei der rechts und links zwei merkwürdige Griffe mit Knöpfen runterhängen. Auf ihrem Arm hocken diese ekligen Hündchen, die oben auf den Köpfen rosa Spängchen im Fell haben. Dazu trägt Alinas Mutti einen Jogginganzug in Tannengrün und hellrosa Puschelpuschen. Sehr wohnlich.
    Ich schlucke und versuche, meinen Blick möglichst neutral zu halten. »Äh, wieso? Sehe ich komisch aus?«
    Sie scannt mich von oben bis unten ab und meint dann mit wichtigtuerischer Miene: »Na ja, irgendwie so verheult. Ist was passiert?«
    Ich schlucke noch mal, weil Alinas Mutter nichts besser kann, als alles direkt auf den Punkt zu bringen. Die ist
dumm. Die denkt sich nichts dabei. Trotzdem lüge ich: »Nee, alles bestens. Alina und ich wollen ja jetzt das Chemiereferat zusammen schreiben.«
    »Wie? Zusammen? Das heißt, du lässt dir den Stoff von Alinchen erarbeiten und machst dich damit dann morgen vor eurem Lehrer dicke oder was?«
    »Hä?«
    Leute, für einen Moment habe ich die sogenannte Contenance verloren. Ich wollte nicht unhöflich sein. Darum kläre ich Alinas Mutter jetzt noch mal im Detail auf, damit sie nicht denkt, ich nutze ihre Tochter aus. »Alina und ich erarbeiten den Stoff natürlich gemeinsam. Ich habe wichtige Aufzeichnungen, ohne die sie …«
    »Wie du meinst, junges Fräulein.«
    Alinas Mutter bewegt sich mit ihren beiden Hündchen auf dem Arm zur Seite weg, sodass ich endlich eintreten kann. Sie schließt hinter mir die Tür und sofort höre ich Blas-Marschmusik aus der Wohnstube rüberschallen. Passend dazu sind Alinas Eltern eingerichtet; bei ihnen sieht es aus wie in einem Möbelhaus für Forsthauseinrichtung. Jedes Fleckchen ist bedeckt mit Regalen, in denen kleine Jägerfigürchen und Rehkitzchen herumstehen. Dafür keine Bücher. Aber so künstliche Blumensträuße aus Plastik. Alinas Mutter meint: »Ach, die sind so schön pflegeleicht.« Und Leute, ihr werdet es mir nicht glauben: Die haben ihr Sofa sogar mit einer durchsichtigen Folie bezogen, damit sich die Polster nicht abnutzen. Ich frage mich, für welchen speziellen Termin sich die Familie ihre Einrichtung eigentlich wie neu erhalten will. Für die Begräbnisfeierlichkeiten vielleicht. Wie auch immer. Mein Geschmack ist das nicht. Bei Alina zu Hause
komme ich mir immer so vor, als würde ich einen Tatort besichtigen, an dem gerade ein schlimmer Mord verübt wurde. Hier weht kein Lüftchen. Nichts darf man berühren. Irgendwie ist alles tot.
    Von oben aus Alinas Zimmer dringt nun auch noch ihre Lieblingsmusik: Tokio Hotel. Ich greife also direkt nach dem geschmiedeten Treppengeländer und beeile mich raufzukommen. Ich nicke Alinas Mutti unter der Föhnhaube zu und verspreche: »Ich werde mich für Alinas Hilfe revanchieren.«
    Sie zieht die Augenbrauen hoch und stapft dann in ihren hellrosa Puschelpuschen in Richtung Wohnzimmer davon. Ich renne die Treppe rauf und klopfe - ehe ich’s mich versehe - an Alinas Zimmertür, die unschwer

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