Level 4.2 - Zurück in der Stadt der Kinder
die Computerspieler. Die Königstreuen
haben einen. Die Aufständischen haben einen. Wir nicht. Damit sind wir die Einzigen, die das Spiel nicht steuern können. Wir
sind zwar manipulierbar, selbst aber machtlos!«
Es dauerte einen Moment, bis die anderen die Tragweite dieser Erkenntnis begriffen hatten.
Das Geheimnis des Palastes
In gewisser Weise stellte das Gemälde in dem großen Saal den Spielstand des Computerspiels dar. Kolja hatte das Rathaus besetzt
und war durch den Pyramideneingang in den Palast eingedrungen.
Da dies auf dem Gemälde noch nicht zu sehen war, konnte das nach Bens Meinung nur eines bedeuten: Wer immer den Spielstand
registrierte, hatte noch nicht mitbekommen, dass Kolja bereits im Palast war.
»Er muss sich irgendwo versteckt halten!«, glaubte Ben. »Und wir sollten auch zusehen, uns nicht erwischen zu lassen!«
»Ich höre Schritte!«, sagte Miriam.
Jennifer zeigte auf eine schmale Tür unterhalb des Gemäldes. Durch sie zu fliehen erschien ihr besser, als durch eine der
beiden großen Flügeltüren an den Stirnseiten des Saales zu entkommen oder gar zurück in den Gang zu laufen.
Es blieb keine Zeit für Diskussionen, und da sie ohnehin auf ihr Glück angewiesen waren, folgten alle Jennifers Vorschlag.
Die Tür ließ sich ohne Schwierigkeiten öffnen. Schnell schlüpften sie hindurch. Ben hätte gern gewusst, ob Kolja wohl den
gleichen Weg genommen hatte.
Auch hinter dieser Tür blieb ihnen eine Überraschungnicht erspart. Sie standen in einem trüb beleuchteten Saal, dessen Wände aus Regalen bestanden, die ihrerseits in Fächer unterteilt
waren. Ein wenig wirkten die Wände wie riesige Setzkästen, nur dass die Fächer alle exakt die gleiche Größe hatten, etwa fünfzig
Zentimeter breit und so hoch, wie Ben groß war. Das zu erkennen benötigte kein besonderes Augenmaß, denn in jedem der Fächer
stand ein Kind. Jeweils drei Fächer über- und geschätzt zwanzig nebeneinander. Zu beiden Seiten waren also rund sechzig Kinder
gelagert wie eingefroren; still, steif, leblos – mit toten Augen.
Wie bei den Ausstellungskästen eines Museums gab es auch hier kleine Schildchen unter jedem Kind, auf denen zum Beispiel zu
lesen war: »Klaviervirtuose, Mathematiker, Artist, Tänzerin.«
»Ist es das, was ich denke?«, fragte Jennifer Ben.
Ben nickte. »Das vermute ich auch.«
»Was?«, wollte Frank wissen.
»Experimente mit der Computerprogrammierung im Level 4.2«, erläuterte Ben. »Nicht nur Busfahrer werden programmiert, wie es
Miriam getroffen hat, sondern offenbar auch Manipulationen im größeren Stil. Großartige Klavierspieler, Mathematiker usw.
Hochbegabte Wunschkinder!«
»Der blanke Horror!«, entfuhr es Jennifer.
Unwillkürlich schnappte sie nach Miriams Hand und drückte sie fest.
Miriam erwiderte den Händedruck. Auch ihr schlug dieser Anblick auf den Magen.
Schon wieder waren sie auf der Flucht. Allmählich wurde es Ben zu viel. Niemals blieb Zeit, zu erkunden, in was für eine Welt
sie eigentlich geraten waren, welche neuen Regeln existierten, wer hinter allem steckte, wo Kolja geblieben war und welche
Rolle er spielte. Ben hasste es, wie ein Hase gejagt zu werden und nichts anderes tun zu können, als im Zickzack um sein Leben
zu laufen, statt seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, zu agieren, das Spiel und damit die Welt, in der sie sich befanden,
in den Griff zu bekommen, zu beherrschen und somit einen Ausweg zu finden.
Er hatte die Nase voll von den Überraschungen, die sie jedes Mal vor neue Probleme stellten, statt alte zu lösen.
»Wir sollten erst mal sehen, dass wir weiterkommen«, schlug Miriam vor.
Doch Miriams Vorschlag kam schon zu spät. Sie hörten bereits Schritte vor der Tür.
»Mist, die Verfolger kommen!«, rief Frank aufgeregt. Schnell wollte er eine Tür weiterrennen, in den nächsten Raum hinein.
Doch Jennifer hielt das für keine gute Idee. »Im Gegensatz zu unseren Verfolgern kennen wir uns im Palast nicht aus! Da sind
wir immer im Nachteil. Wer weiß schon, was uns im nächsten Raum erwartet!«
Ben stimmte Jennifers Einwand vorbehaltlos zu. So hatte er auch keine Antwort auf Franks Frage parat, was sie sonst tun sollten.
Jennifer allerdings hatte eine verwegene Idee.
Angriff
Ben stand still und regungslos. So etwas sagte man so leicht dahin. Jemand stand still, wie zu Stein erstarrt, rührte sich
nicht. Etwas anderes war es, es tatsächlich zu tun: absolut bewegungslos
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