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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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wird erfunden, und meine Verliebten ziehen davon.
    Pro
forma gehe ich einige hundert vertrödelte Schritte weit zurück, bis die beiden
nur noch zentimetergroß sind, dann finde ich einen alten, verrosteten Stuhl,
der halb im Sand vergraben steckt, lasse mich nieder und strecke die Beine von
mir.
    Am
Horizont fasert der Grauschleier auf. Die späte Nachmittagssonne kommt langsam
durch. Es ist angenehm warm. In meinem halbversunkenen Stuhl habe ich es bequem,
Touristen stapfen durch den Sand, gottlob direkt am Meersaum, nicht als
Schattenwerfer vor meinen Knien. Oben kurven Seevögel und sägen am Horizont mit
ihren Schreien. Das Wasser ist ruhig, in dünnen Falten, die sich kaum brechen,
läuft es gegen den Strand.
    Wie
anders noch vor wenigen Tagen! Das adriatische Meer kam in Rage, als wir es auf
der Fähre überquerten. Es begann harmlos. Ein braves, gehorsames Abendmeer empfing
uns. Die Limousinen machten bei den übrigen Fahrgästen ungeheuren Eindruck,
als sie über die vorgeschobenen Metallplanken in den Bauch des Schiffes fuhren.
Wir waren vorher ausgestiegen. Zwei ältere Paare standen beisammen und
vermuteten, dass da ein Staatspräsident mit seinem Tross unterwegs sei. Aus
Eitelkeit hob ich den Finger und behauptete, ich sei in der Karosse mit dem
Schmuckdeckel gereist. Argwöhnisches Staunen und Blicke, aus denen Enttäuschung
sprach. Die Blicke ließen mich zum vermurksten Ding schrumpfen, das ich einst
war, Schatten vom Schatten unseres Erzeugers.
    Wir
versammelten uns auf Deck, nachdem wir unsere Kabinen inspiziert hatten.
Gelbweiß gestreifte Vorhängchen mit Anker und springenden Fischen in der
Bordüre. Gelbweiß gestreifte Bettüberwürfe. Alles sehr manierlich zurechtgelegt
für eine ruhige Nacht. In Metallpapier gewickelte Pralinen, die den Eindruck
von Marineorden erweckten, als Betthupfer. Vom Bauch des Schiffes her hörte
man vertrauenerweckend die Maschinen. Langsam glitt die Fähre vom Ufer weg,
die Schnelligkeit war ihr zunächst nicht anzumerken, was auch daran lag, dass
das Schiff verhältnismäßig leise lief.
    Wir
nahmen ein üppiges Nachtessen ein, und schon währenddessen spürten wir, dass es
unter uns sich zu regen begann. Iris sprang hoch mit einem fröhlichen oje,
oje, ich glaub', mir wird schlecht und ward nicht mehr
gesehen. Die ersten Witze über Seekrankheit fielen, dann suchten immer mehr
Leute ihre Kabinen auf. Auch meine Schwester verabschiedete sich früh. Nur
unser unerschütterlicher Chef saß mit einer Restrunde am Tisch und hatte den
Arm über die Lehne des Rosenzüchters gebreitet. So groß und stabil die Fähre
wirkte, es ging herzhaft auf und nieder, besonders unangenehm war das leicht
verzitterte seitliche Auspendeln. Obwohl mir sonst überall schlecht wird,
seetauglich bin ich. Und da es draußen ordentlich herging, wollte ich nicht
versäumen, mir die Wühlerei anzusehen.
    Wir
wurden davor gewarnt, hinauszugehen, aber direkt verboten wurde es uns nicht.
Es war auch kaum möglich, über Bord zu fallen, dichte Gitter hätten jeden
aufgefangen, der aus dem Gleichgewicht kam. Aber man konnte ausrutschen oder
sich beim Durch-die-Gegend-Torkeln verletzen. Wirklich, es war nicht ratsam,
ohne festen Halt und mit Ledersohlen hier oben über Deck zu laufen.
    Am
Bug, nicht am äußersten Punkt, sondern nach hinten versetzt im Schutz des
obersten Aufbaus, fand sich eine festgeschraubte Bank, feucht und übersprüht,
trotzdem ein sicherer Platz, um in die erregte Nacht zu starren. Von oben sahen
die aufgetummelten Wellen anders aus, das schäumte und brodelte und spritzte
schwarz mit hellen Spitzen, zwar nicht ganz bis zur Bank, aber immerhin bis an
die Reling.
    Der
Mond wurde in schnellem Wechsel verdeckt und freigezogen, die Wolken
verdunkelten ihn immer wieder zur Gänze. Was an Sternen kurz zu sehen war,
zitterte wie Nadeln. Ich fand das Herunterfallen des Schiffes, sein sattes
Aufplatschen, das Gegurgel und den anschließenden Gischtriesel wunderbar.
    Es
dauerte nicht lang, da hatte ich einen Gast neben mir sitzen: Wolfi, der mit
seiner Zigarre des Saales verwiesen worden war und hier zu Ende rauchen wollte.
Im ersten Moment war mir jeder unangenehm, der Anspruch auf meine Bank erhob.
Doch die Aufgewühltheit des Meeres hatte eine solche Kraft, dass neue
Verhältnisse zwischen uns hergestellt wurden.
    Darf
ich? fragte Wolfi und saß auch schon.
    Du
bist seetauglich, da haben wir was gemeinsam.
    Das
sagte er nach einem längeren Zug aus der Zigarre, deren Rauch sofort

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