Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
Seite und fand dort seinen Bruder. Dessen Zustand war Besorgnis erregend. Kaum war sein Atem zu spüren. Aber er lebte. Feregor hoffte, dass noch genügend Kraft in ihm steckte, um nicht gegen den Tod am Ende zu verlieren. Niederschmetternd war die Erkenntnis, die er nach kurzer Zeit über den Rest der Weisen erhalten hatte. Kaum ein Viertel der Ältesten aus dem Volke der Elben war noch am Leben. Die meisten waren von der Macht des schlafenden Berges dermaßen getroffen, dass dessen giftige Erde und Winde sie in den Boden der Lichtung getrieben hatten. Die vom Himmel stürzende spröde Masse hatte deren Leiber blutig geschlagen, teilweise verstümmelt. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Mit Entsetzen in den Augen blickte der Weise von diesem grausigen Bild nach oben. Lewyn und Regos waren gerade, einander stützend, bei ihm erschienen.
„Wo ist Cadar, wo ist mein Vater?“ Keiner von ihnen hatte den Renaorianer bisher entdecken können, obwohl sie den Platz vor den Mauern bereits abgesucht hatten. Auch hatte er nicht auf ihren stillen Ruf geantwortet.
„Ich sah, wie er zu silbernem Licht wurde und sich mit dem verband, welches sich von dir aus dieser finsteren Schöpfung entgegenschnellte, um sie zu vernichten.“ Müde blickte Khelaros zu seiner Prinzessin. Er war einer der wenigen Überlebenden.
„Dann haben wir ihm zu verdanken, dass sich die Bestie zurückgezogen hat.“
Lewyn drehte zu Hergew um und stellte erfreut fest, dass sich auch der Drache zu erholen schien.
„Zurückgezogen?! Wir konnten den schlafenden Berg nicht vernichten?“
Entsetzen und Verzweiflung sprachen aus dem Gesicht des noch immer am Boden hockenden Weisen. Sie hatten trotz all ihrer Kraft, trotz des hohen Verlustes keinen Sieg erringen können? Das wollte er nicht akzeptieren. „Wozu dann der hohe Preis? Was haben wir erreicht? Wir haben den Untergang unseres Volkes nur hinausgeschoben.“
„Nein, Khelaros. Wir haben heute Leranoth vor seinem Ende bewahren können. Wir haben der Finsternis einen weiteren schwächenden Schlag versetzt. Leider war ich nicht in der Lage, diesen Teil des einen Dunklen auch zu vernichten.“ Traurig versuchte sie zu erkennen und zu fühlen, ob ihr Vater noch in der Nähe war. Hatte er sein Eingreifen ebenfalls mit dem Leben bezahlt? Oder würde sie ihn wiedersehen? Sie erinnerte sich an Agerass. Dort war er für einige Zeit verschwunden geblieben. Sie würde jedenfalls die Hoffnung auf seine Rückkehr nicht aufgeben. Wieder huschte ein von Schmerz geprägtes Lächeln über ihre Züge. Es war noch gar nicht so lange her, dass sie diesen Mann aus Wyndor am liebsten tot gesehen hätte. Und nun? Es schien ihr das Herz zerreißen zu wollen, als sie die Möglichkeit seines Vergangs nicht ausschließen konnte.
„Lasst uns in die Stadt gehen und die Königin informieren. Zudem müssen die Toten geborgen und die Verletzten versorgt werden.“ Dabei hockte sie mittlerweile neben Wengor. Ganz leicht lächelte sie ihm ermutigend entgegen.
„Du sorgst dich um mich? Deine Aufmerksamkeit sollte Wichtigerem gelten. Ich habe sie nicht verdient.“
„Dir ist einst ein Fehler unterlaufen, ja. Aber den hast du längst eingesehen. Weshalb sollte ich mich nicht auch um dich sorgen? Du bist ein Weiser der Elben. Deine große Erfahrung und deine Ratschläge werden weiterhin wichtig für sie sein. Die Königin wird deiner in diesen schweren Zeiten bedürfen. Bitte entzieh ihr nicht deine Unterstützung.“ Leicht und Ruhe gebend legte sie ihm ihre Hand auf die Schulter.
„Wenn dies dein Wille ist, will ich ihm gerne folgen. Ich danke dir, dass du mich nicht von meinen Aufgaben entbindest. Ich danke dir, dass ich meinem Volk auch in kommenden Zeiten dienlich sein darf.“ Erleichtert blickte er zu der jungen Frau, deren Tod er vor über vier Jahren forderte. Dann glitt er abermals in die Bewusstlosigkeit hinüber.
Lewyn hatte sich bereits wieder erhoben. Nun ging sie, sich unsicher auf den Beinen haltend, auf die Mauern der Stadt zu. Dort mussten die verbliebenen Bewohner informiert werden. Die Kriegerin würde von ihnen fordern, in der Sicherheit der Tunnel zu verweilen, bis die kommende Schlacht entschieden und der schlafende Berg vernichtet war. Nur die Wachen würden auf dem Wall Ausschau halten müssen. Die waren es, die nun, von Regos gerufen, auf die kleine Gruppe zu hielt. Natürlich suchten sie nach Antworten, hielten aber erst einmal inne, als sie bemerkten, wie wenige aus dem gerade überstandenen Kampf
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