Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
zurückhalten? In wenigen Tagen traf mit dem Lichtschiff der Nachschub an all jenen Gütern ein, die sie hier in der Sicherheitszone von Liberty 9 nicht selbst produzieren konnten. Vorausgesetzt, die Mechaniker wurden mit der Reparatur an dem schweren Fluggerät auch wirklich rechtzeitig fertig. Er hoffte es inständig. Denn mit den Versorgungscontainern würde auch eine Kiste mit Flaschen seiner Lieblingsmarke eintreffen. Die Piloten ließen sich diese heimlichen Gefälligkeiten gut bezahlen.
Der Alkohol tat seine Wirkung und seine Gedanken bewegten sich allmählich in eine andere Richtung.
Hatte er nicht die riesigen Trümmerstädte mit eigenen Augen gesehen und sich als junger Mann sogar einmal selbst dort hineingewagt? Und hatte er nicht auch mit eigenen Augen gesehen, wie die Menschen in dieser Dunkelwelt lebten? Nämlich wie die Tiere. Dort ging einer dem anderen an die Gurgel, wann immer er glaubte, den Vorteil auf seiner Seite zu haben! Da gab es kein Gesetz und keine Ordnung. Es sei denn, man hielt die Tyrannei der Stärkeren über die Schwächeren für eine Form von Gesetz und Ordnung.
War es angesichts dieser Zustände, die in der Dunkelwelt außerhalb der drei stark befestigten Hisecis Presidio, Pacifica und Panamera und ihrer angeschlossenen Hisecos herrschten, nicht vertretbar, dass der weise Wächterrat von Hyperion vor Jahrzehnten das Liberty-System ins Leben gerufen hatte? Es war eine Notwendigkeit gewesen. Es hatte damals gar keine Alternative gegeben und es gab sie auch heute noch nicht. Irgendwer musste doch die Aufgabe zum Wohle aller erfüllen. Und war dies nicht bei aller Grausamkeit der humanste Weg?
Die Jungen und Mädchen lebten doch in einem seligen Zustand der Ahnungslosigkeit und opferbereiten Gläubigkeit. Was sie nicht kannten, konnten sie auch nicht vermissen– und schon gar nicht fürchten. Deshalb würden sie ihre große Aufgabe auch ohne jede Angst erfüllen, bis der Tag gekommen war, an dem auch sie ersetzt werden mussten.
Gewiss, es war ein hohes Opfer an jungem Leben. Aber wenn es um die Bewahrung und Zukunft des Allgemeinwohls ging, waren solche Opfer nun mal unvermeidlich. War denn nicht die Geschichte der Menschheit voll von derartig heroischen Beispielen? Und zwar nicht nur in Zeiten von Kriegen. Zu allen Zeiten hatte es die bittere Notwendigkeit gegeben, dass einige wenige ihr Leben für die Allgemeinheit hingaben und die Zivilisation retteten.
Bei den Electoren geschah dies zudem auf die denkbar humanste Art und Weise. Denn wenn sie begriffen, was mit ihnen geschah, war ihr Schicksal schon längst entschieden– und ihre Zeit abgelaufen.
23
» Ich habe Angst. «
» Ich auch « , flüsterte Kendira in der pechschwarzen Dunkelheit zurück.
Dabei gab es gar keine Notwendigkeit mehr, leise zu sein. Es war niemand mehr im Keller, der sie hätte hören können.
Panik stieg in ihnen auf. Sie hörte es deutlich an Nekias zittriger Stimme und spürte es auch bei sich selbst.
Aber das durfte sie nicht zulassen, sie musste mit aller Kraft dagegen ankämpfen und einen klaren Kopf behalten! So wie bei einem Run im Schwarzen Würfel. Wenn doch nur nicht diese entsetzliche Dunkelheit gewesen wäre, die sie wie ein Grab umschloss und ihnen das Atmen schwer machte!
» Unsere Lage sieht schlimmer aus, als sie in Wirklichkeit ist « , sagte Kendira und streichelte beruhigend den Arm ihrer Freundin.
» Von wegen! Wir sind geliefert! « , stieß Nekia verzweifelt hervor und löste sich von ihr.
» Wir kommen hier schon wieder heraus « , erwiderte Kendira. » Hörst du? Irgendwie kommen wir hier heraus! «
» O ja, herauskommen werden wir natürlich! « , antwortete Nekia mit schriller Stimme. » Und wenn wir Glück haben, machen sie uns bloß zu Servanten und schicken uns nach Eden! Aber wenn herauskommt, dass wir hier mit dem Servanten zusammen gewesen sind und zudem auch noch Master Seywards Nachricht gelesen haben, werden sie uns dafür auf den Stuhl bringen! «
» Nichts davon wird eintreten, weil keiner von der Sache hier erfahren wird « , widersprach ihr Kendira heftig. » Dante wird uns schon herausholen, wenn oben die Luft rein ist. «
Nekia lachte freudlos auf. » Wie denn? Der hat doch keinen Schlüssel mehr zum Keller. Oder hast du nicht gehört, dass Sherwood ihm den abgenommen hat? «
Kendira wünschte, Nekia hätte sie nicht an dieses Detail erinnert, und schluckte schwer. » Und wenn schon. Er wird dennoch einen Weg finden! Er hat es versprochen, und ich
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