Liberty: Roman
Wirtin eines Restaurants zu sein.«
»Aber er ist okay zu dir?«, frage ich sie.
»Er ist ein Vetter aus der Familie. Er versucht nur zu helfen. Du musst jetzt gehen.«
»Wir sehen uns morgen.« Ich verabschiede mich und gehe zurück an die Tische vor der Stereo Bar. Ich warte. Irgendwann kommt ein ganz neuer Toyota Corolla und hält vor dem Kaufmannsladen. Rachel springt hinein, und sie fahren davon. Wenn er ein Vetter der Familie ist und sich ein Auto leisten kann, dann müsste Rachel bei seiner Familie leben – das ist der Brauch in Tansania, wenn ein junges Mädchen aus dem Dorf in die Großstadt kommt. Aber die afrikanischen Bräuche gelten nicht mehr viel, zu viele arme Verwandte kommen in die Stadt. Sie müssen selbst zurechtkommen.
Ich fahre zu Marcus, um mit ihm über unsere Geschäfte zu reden. Wir brauchen mehr Arbeit. Claire begrüßt mich an der Haustür, wie es sich gehört. Sie ist sehr abgemagert seit dem Tod des Babys.
»Marcus hat noch etwas zu besorgen, aber er kommt gleich«, sagt sie. Aber sie fragt nicht, ob ich Kaffee möchte oder wie es mit Katriina und den Kindern läuft. Sehr unhöflich. Aber okay, sie hat gerade ein Kind verloren. Die Sonne sticht mir in die Augen, also gehe ich ins Wohnzimmer und setze mich aufs Sofa. Sie sitzt am Esstisch und schreibt in ein Aufsatzheft, erklärt mir, sie würde an der Abrechnung des Kiosks arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass ein Großteil der Einnahmen für Marcus’ Alkoholkonsum draufgeht.
»Wie läuft das Geschäft?«, erkundige ich mich.
»Nicht gut, vom Kiosk allein können wir nicht leben.« Ich weiß, sie will damit andeuten, dass wir Geld beiseitelegen, um die große Anlage hierherschaffen zu lassen. Aber das will ich nicht mit ihr diskutieren. Vielleicht kommt sie mir deshalb so feindselig vor. »Es ist nicht gut für dich, wenn du mit ihr eine Liebschaft hast«, sagt Claire.
»Mit wem?«
»Mit diesem Mädchen, das sagt, sie heiße Rachel.«
»Wieso ist es nicht gut für mich?«
»Es ist nicht gut für dich. Sie ist sehr schlimm.«
»Was meinst du mit ›schlimm‹?«
»Sie ist ein schlimmes Mädchen. Das habe ich gehört.«
»Ja, das verstehe ich, aber wie?«
»Sie benutzt verschiedene Namen.«
»Und?«
»Wenn sie mit einem Christen zusammen ist, benutzt sie den christlichen Namen Christine. Und wenn sie mit einem Moslem zusammen ist, heißt sie plötzlich Zaina.«
»Was versuchst du mir zu sagen?«
»Sie ist sehr schlimm.«
»Du glaubst, alle Menschen sind schlecht, wenn sie nicht so fromm sind wie du«, sage ich. Sie schüttelt den Kopf und steht auf.
»Das ist nicht gut für dich, du kannst sogar sterben«, erwidert sie und geht zum Kiosk. Bleibt dort. Endlich erscheint Marcus, und gleichzeitig kommt Claire wieder herein.
»Was für einen Mist erzählt deine Frau mir da?«
»Setzen wir uns auf die Veranda«, sagt er und gibt dem Hausmädchen Bescheid, ein paar Stühle auf die Veranda zu stellen. »Ich habe schon gestern versucht, es dir zu sagen«, beginnt er auf Englisch, damit Claire uns nicht versteht. »Claire redet mit den Leuten, in der Boutique und auch sonst in der Stadt. Die Leute sagen, das Mädchen heißt manchmal Rachel und an anderen Tagen Zaina, wenn sie mit einem Moslem zusammen ist. Und wenn der Mann Christ ist, heißt sie Christine.«
»Willst du damit sagen, dass sie eine Nutte ist?«
»Sie ist ein schlimmes Mädchen.«
»Du glaubst, alle anderen Mädchen außer der heiligen Claire sind Nutten, oder?«
»Claire hat sehr schlimme Geschichten über sie gehört. Es heißt, Rachel wäre nach Moshi gekommen, als ihr älterer Bruder in Arusha starb. Sie wohnte bei einer Tante und arbeitete als Kellnerin in einer Garküche, wo ein Leiter der Tanesco des Moshi Districts Gefallen an ihr fand. Er quartierte sie im KNCU Hotel über der Kibo Arcade in einem Zimmer mit Kühlschrank und Stereoanlage ein – seinen Sachen. Ihr wurde alles bezahlt: Aufenthalt, Mahlzeiten, Getränke, neue Kleider, gutes Taschengeld. Die Frau des Mannes war krank, deshalb hielt er sich Rachel. Aber er bezahlte nie das Bargeld, das er versprochen hatte, und nach zwei Monaten versuchte sie, sich mit der Stereoanlage aus dem Hotel zu schleichen. Allerdings wurde sie an der Rezeption angehalten, denn nicht sie bezahlte das Zimmer, und daher konnte es auch nicht ihre Anlage sein. Seither hat sie eine Menge anderer Männer durch ihre Arbeit als Kellnerin in der Garküche und im Kaufmannsladen kennengelernt. Und Claire behauptet, sie
Weitere Kostenlose Bücher