Liberty: Roman
morgen Abend etwas.«
»Morgen kann ich nicht. Ich muss arbeiten.«
»Aber der Kaufmann macht um neun zu?«
»Ich habe eine neue Arbeit in einem Restaurant, als Kellnerin. Da ist erst um elf Schluss.«
»Und hinterher, wenn du nach Hause gekommen bist?«
»Ich muss am nächsten Morgen um sieben arbeiten.«
»Ich werde mich nach einer eigenen Wohnung umsehen.«
»Ja«, lächelt Rachel. »Ich hoffe, du findest schnell eine.«
»Wieso brauchst du eine neue Arbeit?«
»Sonst kann ich den Englischunterricht nicht bezahlen«, antwortet sie. Der Kaufmann erlaubt ihr, jeden Nachmittag von zwei bis vier freizunehmen; sie will sich zu einem Englischkurs anmelden, der im KNCU -Gebäude stattfindet. Aber erst muss sie das Geld beschaffen. Wenn sie tagsüber und abends arbeitet, werde ich sie überhaupt nicht mehr sehen.
Am Abend fahren wir zum New Castle Hotel an der Mawenzi Road und setzen uns auf die Dachterrasse. Wir bestellen Hühnchen mit Fritten und Cola. Blicken über die Stadt. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Rauche eine Zigarette nach der anderen.
»Rachel«, beginne ich. »Ich möchte dich gern häufiger sehen … länger, okay? Ich versuche, eine eigene Wohnung zu finden, ein kleines Haus, aber das ist schwer. Aber ich dachte … wenn ich deinen Englischkurs bezahle, dann müsstest du doch nicht auch noch abends arbeiten.«
»Aber man muss für ein halbes Jahr im Voraus bezahlen, bevor man anfangen kann«, erwidert Rachel.
»Das ist kein Problem. Ich hab’s dabei.« Ich gebe ihr einen Umschlag mit dem Geld. Sie lächelt.
»Danke, Christian«, sagt sie und faltet den Umschlag zusammen, ohne hineinzusehen. Steckt ihn in die Tasche.
»Fährst du mich jetzt nach Hause?« Wir haben keinen Ort, an dem wir zusammen sein könnten. Es gibt keinen Grund, weiter darüber zu reden. Ich muss das Problem lösen. Ich fahre sie heim. Sie steigt an der Straße ab. Ich umarme sie und will sie küssen. »Du sollst hier kein Spektakel machen, Christian. Die Nachbarn reden sehr hässlich über mich, wenn sie das sehen.«
»Okay«, sage ich. »Wir sehen uns.« Ich gebe Gas, fahre. Verdammte Scheiße!
Auf dem Fußweg vor dem Kaufmannsladen flüstert sie mir zu: »Christian, ich habe morgen den ganzen Tag frei. Wir können heute Abend etwas unternehmen.«
»Willst du ins Liberty? Oder ins Moshi Hotel?«
»Nein, nicht in die Stadt. Nur du und ich. Zusammen. Wir könnten ein bisschen Spektakel machen.«
»Ja! Aber wo? Ist Salama zu Hause?«
»Wir können nicht zu mir.«
»Ich weiß. Wir gehen zu mir.«
»Okay. Hol mich um halb neun ab.«
Ich mache es. Wir gehen ins Uhuru Hostel und essen etwas, bevor wir zur Dienstbotenwohnung fahren. Der Strom ist ausgefallen. Rachel zündet eine Kerze und einen Moskito-Schutz an.
»Zieh dich aus und leg dich aufs Bett«, sagt sie. Ich gehorche. Sie kommt an die Bettkante. Zieht sich in dem flackernden Licht nackt aus. »Du musst ganz still liegen«, flüstert sie und streichelt mich, küsst mich am ganzen Körper. Fabelhaft. Bebende, kitzelnde Erregung, ausgedehnt, schmerzhaft – sie holt mich ständig zurück, bis es endlich passiert.
Am nächsten Morgen gehe ich hinüber zum Haupthaus, um ein Tablett mit Frühstück zu holen. Issa bügelt. Er grüßt, spricht aber nicht mit mir, bietet keine Hilfe an. Er ist so taub, dass er uns nicht gehört haben kann, aber ich denke, der Wachmann ist die ganze Nacht wach gewesen. Während ich Wasser koche und Mangos aufschneide, kommt Solja in die Küche. Auf dem Tablett stehen bereits zwei Gläser mit Juice und zwei Kaffeetassen.
»Hast du Gäste?«, fragt sie.
»Geht dich gar nichts an«, grinse ich.
»Ja, ja«, antwortet sie und verschwindet. Ich gehe mit dem Tablett hinunter. Wir sitzen im Schatten auf der Veranda der Dienstbotenwohnung. Katriina kommt um die Ecke. Sie ist blass.
»Ich will sie hier nicht haben«, erklärt sie auf Schwedisch.
»Das hast du nicht zu bestimmen«, erwidere ich.
»Doch, das habe ich. Es ist mein Haus.«
»Soweit ich weiß, ist es mein Vater, der die Miete bezahlt.«
»Glaubst du, dein Vater ist der Ansicht, dass du dich herumtreiben sollst mit diesen … Du kannst die Mädchen nicht einfach so benutzen«, sagt Katriina. Ihre Stimme zittert. Ich sehe Rachel an. Ihr Gesichtsausdruck ist leer.
»Benutzen? Sie ist meine Freundin.«
»Ja, im Augenblick. Aber was ist, wenn du das Land verlässt und sie zurücklässt?«
»Ich gehe nicht weg«, erwidere ich.
»Du verdienst doch kein Geld mit diesem
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