Liberty: Roman
kommen morgen«, sage ich und gebe ihm die Hand. Der Ort ist perfekt. Platz für die Tanzfläche, Tische im Garten, an denen die Leute sitzen können. Die Toilette ist okay. »Die Frage ist nur, ob die Leute hierherkommen?«, überlege ich.
»Ja«, erwidert Rogarth.
Am nächsten Abend ist der Vater da. Bwana Benson. Sehr dünn und sehnig, ungepflegtes, grau meliertes Haar. Er sieht abgezehrt aus. Offen stehendes, purpurfarbenes Nylonhemd, dunkle Gabardinehose, geputzte braune Lederschuhe. Nikotinfinger. Wir begrüßen ihn.
»Na, ihr seid also die Jungs, die mein Restaurant zu einem Bordell machen wollen?«, fragt er, obwohl es eigentlich klar ist, dass hier zu wenig Gäste sind – er braucht uns. Er hat ein Bier vor sich und sieht aus, als hätte er bereits ein paar getrunken, und doch gibt es so ein unergründliches waches Glitzern in seinen Augen; aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich gehört habe, dass er verrückt sein soll.
»Wir wollen nur freitags und samstags gute Musik spielen, damit die Leute tanzen können.«
»Tanzen?«, fragt er, wirft den Kopf zurück und lacht laut, bis er mit einem feuchten Gurgeln im Hals zu husten anfängt.
»Ja. Ein bisschen gute Soul-Musik, Reggae, ein wenig Disco, etwas Zaire-Rock.« Rogarth steht daneben – wir sind nicht aufgefordert worden, uns zu setzen –, und er meint offenbar, auch etwas sagen zu müssen: »Christian hat eine gute Diskothekenausrüstung, mit einem guten Sound; sehr viel besser als im Moshi Hotel.«
»Hm«, sagt der Engländer. »Und was habt ihr euch vorgestellt, was wollt ihr dafür haben?« Wir reden hin und her. »Und warum sollte ich den Zahlen trauen, die ich von euch bekomme?«
»Sie können die Gäste zählen oder einen Mann neben uns an den Eingang setzen.« Die Verhandlungen laufen. Am Ende bekommen wir siebzig Prozent des Eintritts, aber wir müssen auch die Rausschmeißer und die Wächter am Parkplatz stellen. Er geht ziemlich weit, aber nicht zu weit – wohlgemerkt, wenn wir Gäste anziehen können.
Wir fahren zurück.
Marcus
DER LETZTE TANZ
Christian steht im Laden, zieht das Kabel zwischen Verstärker und Kassettenrekorder heraus und hält es in die Luft, ohne mich anzusehen. »Meins«, sagt er und stopft es in die Tasche. Ich stehe vor der Tür und schaue in den Laden. Dann greife ich nach der Harmonika der Gitterstäbe und ziehe sie mit einer Handbewegung zu. »He?«, schreit er. Ich schiebe das Vorhängeschloss in die Ösen und drücke es zu. Er kommt zur Tür. »Was zum Henker treibst du da, Marcus?«
»Spürst du es?«, frage ich.
»Was?«
»Das Gefühl, eingesperrt zu sein.« Ich hole mein Päckchen Zigaretten heraus. Er verdreht die Augen, seufzt und sagt: »Mach jetzt das Scheißgitter auf.«
Ich zünde mir die Zigarette an und puste den Rauch zu ihm hinein. Er rüttelt am Gitter. »Gib mir eine Zigarette«, sagt er. Das Gitter ist an der Außenseite der Holztür befestigt, so dass ich die Tür nicht schließen kann. Ich werfe ihm die brennende Zigarette zu, er springt zurück. »Verflucht noch mal, Marcus«, sagt er. »Ibrahim wird dich zusammenschlagen, wenn du nicht sofort aufmachst.«
»Ich muss nach Hause und Kaffee trinken«, sage ich.
»Ich schlage hier alles kurz und klein, wenn du nicht öffnest«, sagt er und zeigt auf meinen Verstärker, die alten Lautsprecher und den Kassettenrekorder. Ich zucke die Achseln, drehe mich um und gehe.
»Marcus«, sagt er leise. Ich kann zurückkommen und ihn herauslassen, wann ich will. Er ist so weiß, dass es ihm peinlich ist, einen schwarzen Mann um Hilfe zu rufen. Er wird die Holztür von innen schließen und sich vor den Blicken der Gäste der Stereo Bar verstecken, die bereits von ihren Stühlen auf dem Fußweg aufgestanden sind, um zu sehen, was mit dem weißen Mann passiert. Ich sitze in der Coffee Bar, und mich überkommt dieses traurige Gefühl. Ich habe gesehen, wie er vom Jungen zum Mann wurde, ich habe ihn in seine erste Disco außerhalb der Schule mitgenommen. Wir haben mit Limonaden-Disco im YMCA angefangen, danach kamen die Nächte im Liberty, in den guten Zeiten. Ich habe ihm beigebracht zu tanzen, er klaute zu Hause bei seinem Vater Bier, Dollar und Marlboro für mich. Und er versuchte damals zu helfen, aber er war nur ein Junge. Ja, und nun sehe ich ihn als meinen schlimmen kleinen Bruder. Gierigen schlimmen Bruder. Mein kleiner gieriger, schlimmer Bruder.
Ich hätte Macht anwenden können. Gewalt und Macht. Als er im Urlaub gewesen
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