Liberty: Roman
überwiegend LP s, damit die Leute einen klaren Sound haben. Und Rogarth ist ein guter DJ . Kein großes Gerede zwischen den Nummern, um sich selbst zu produzieren – reine Musik.
Als die Gäste spät in der Nacht gegangen sind, kommt David zu mir und gibt mir die Hand. Wir schleppen die Ausrüstung in ein Taxi.
»Wir brauchen ein Frühstück«, erklärt Ibrahim und dirigiert das Taxi zum Shukran Hotel in Swahilitown. Dort frühstücken wir im Café, dann fährt das Taxi mich und Firestone nach Hause. Er hilft mir, die Anlage ins Haus zu transportieren. Rachel begrüßt mich mit einem Kuss. Firestone fällt aufs Sofa, und ich werde auf dem Bett ohnmächtig.
Später frage ich Rachel, ob sie ein Kindermädchen besorgen kann, um abends mit ins Golden Shower zu kommen.
»Nein«, sagt sie. »Ich mag die Disco auf dem Berg, aber nicht in der Stadt – da gibt’s zu viel Ärger.« Vielleicht würde sie jemandem aus ihrer Vergangenheit wiederbegegnen. Der Gedanke gefällt mir nicht. Ich lächele sie an.
»Hast du keine Angst, dass die Mädchen versuchen, mich zu fangen?«
»Nein«, entgegnet Rachel ungerührt. »Denn jetzt hast du mich und Halima, und du magst uns sehr.« Sie hat recht.
Am Abend spielt die Musik wieder. Es hat sich herumgesprochen. Das Golden Shower ist voll, das Geld strömt in die Kasse, alle sind zufrieden. Ich stelle mich zu Rogarth hinter die beiden Plattenspieler und schaue über die wogende Tanzfläche, lege den Arm um ihn.
»Disco ist in Tansania viel besser als in Europa.« Er sieht mich fragend an. »Weil alle zur Party kommen, Junge, Alte, Reiche, Arme, Afrikaner, Inder – total gemischt.« Ich zeige auf einen Tisch. »Der alte Inder dort, so einen Mann würdest du niemals in einer Diskothek in Dänemark sehen. Aber hierher kommt er, um zu feiern.«
»Er ist nicht hier, um zu feiern«, erwidert Rogarth. »Er kommt, um die Tiere zu studieren, die schwarzen Frauen. Gibt es ein Tier, das er erlegen will? Er muss hierherkommen, obwohl er nicht tanzen kann und die Musik hasst. Er will nur alte Musik aus den Fünfzigern hören. Aber wie soll er sonst an eine junge malaya kommen? Die jungen sind dort, wo die Musik spielt, also gehen die alten Inder auch dorthin. Sie tun so, als würden sie tanzen, aber sie fallen fast hin. Ich kenne das Spiel aus dem Moshi Hotel.«
»Aber es gibt hier doch keine Laufburschen«, wende ich ein.
»Nein«, sagt Rogarth. »Denn wir haben gerade erst angefangen. Aber nächstes Wochenende werden sie hier sein.«
Sonntagabend. Rachel zündet mir eine Zigarette an und setzt sich aufs Sofa. Zieht die Beine unter sich. Sie spielt an meinem Ohrläppchen und streicht mir übers Haar, während ich rauche.
»Als ich dich im Liberty getroffen habe, hat Tito zu dir gesagt, du würdest nur kommen, um hier die Mädchen zu pumpen. Ich habe Nein zu ihm gesagt. Dieser mzungu ist nicht so. Aber Tito hat gesagt, der mzungu will mich nur pumpen, dann würde er wieder nach Hause fahren, er würde mich nicht heiraten und mich nicht mit nach Europa nehmen. Eines Tages wird er verschwinden und mich hier allein lassen. Aber ich mochte dich. Und du bist ständig beim Kaufmann vorbeigekommen, obwohl du dieses weiße Mädchen hattest. Aber das weiße Mädchen ist verschwunden, und wir sind zusammen. Du bist nicht von mir losgekommen.«
Sie hat nie zuvor von Europa gesprochen, aber jetzt fühlt sie sich sicher genug. Sie weiß, dass ich sie liebe, obwohl ich versuche, nicht darüber zu reden. Nun verrät sie ihren Traum: Europa. Dieser kalte, verfluchte Ort. Sie sitzt ganz still. Ich glaube, ich verstehe es. Spüre es in mir selbst: der Mensch – ein anpassungsfähiges Tier. Mein Gehirn verhält sich zur jeweiligen Situation, zu den Trieben und zu den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen und die ich ergreife – ich bin ein Teil von ihnen. Rachel ist genauso. Ich habe mich damit abgefunden, was sie … gewesen ist. Ich ziehe ein letztes Mal kräftig an der Zigarette, inhaliere und puste eine Rauchsäule in die Luft. Sie ist vollkommen anders als Marianne. Wir müssen nicht alles durch eine große Analyse breittreten, bevor wir zur Sache kommen. Was ihr wirklich durch den Kopf geht, weiß man oft nicht so genau. Ich verstehe gut, warum Marcus gesagt hat, mir wäre eher mit einem Chagga-Mädchen aus einer soliden Familie gedient. Aber ich war neugierig auf Rachel.
»Als ich in Moshi ankam, da hatten alle Mädchen in den Büros an der Rengua Road ein ziemliches Interesse an mir.
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